Wenn das Schlachten vorbei ist
Zeit wert ist, die man braucht, um ihn anzusehen, die stumpfen Augen, die verdrehten Handgelenke, das irgendwo abgestaubte, schwarz-rot karierte, regennasse Flanellhemd, das wie eine abgestreifte Haut an ihm hängt, wird je auch nur fünf Cent von ihm kriegen, geschweige denn ihn so auf die Palme bringen – Ham Sie ma ’n Dollar? –, dass er ihm sagen würde, wie er das moralische Gewicht dieser kleinen Begegnung beurteilt. Er hebt also lediglich die rechte Hand, als wäre sie ein Stoppschild, und lässt sich auf den Fahrersitz gleiten, und schon wird seine Szenerie beherrscht von Leder, dem sanften Schein der Armaturenbeleuchtung und der herrlichen deutschen Präzisionsmusik des Motors, die den Penner, die nassen Zeitungen, die toten Würmer und den ganzen Rest zu nichts zerstieben lässt.
Auf der State Street staut sich der Verkehr, aber er reiht sich trotzdem ein, denn er hat keine Eile und will einen Blick auf die Geschäfte und ihre Weihnachtsdekorationen werfen, einfach um, wie er sich sagt, in Weihnachtsstimmung zu kommen und nicht um mit geschultem Auge die Horden von Kunden zu betrachten und ihre Kaufabsichten einzuschätzen. In seinen eigenen Geschäften – Spezialgeschäften für Leute mit Geld, die den 52-Zoll-LCD-Bildschirm von Sony und die aus England importierte High-End-Anlage von Linn mit fünf Mini-Lautsprechern und den großen Subwoofern fix und fertig in ihrem Medienraum montiert haben wollen, damit sie nur noch den Knopf auf der Fernbedienung drücken müssen, um ein wirklich überwältigendes Audiovisionserlebnis zu haben – ist es nie voll, ganz gleich zu welcher Jahreszeit. Das war schon immer so, auch als er das Angebot für die Audiophilen der achtziger Jahre um die Großbildschirme und Surround-Sound-Anlagen der neunziger und nuller Jahre erweitert hat. Nein, sein Geschäft sind High-End-Geräte, und er erfüllt eher Bedürfnisse als Wünsche, denn man zieht sich immer mehr aus dem öffentlichen Raum zurück: Die Leute investieren in Home Entertainment, weil sie keine Lust mehr haben, auch nur in den Garten zu gehen, geschweige denn in ein Kino oder dergleichen. Um Kundschaft muss er sich nicht sorgen – die Leute kommen zu ihm –, und er hat sich stets den Luxus leisten können, keine Reklame zu machen und seine Geschäfte in bescheideneren Seitenstraßen zu eröffnen, wo die Mieten niedriger sind und man nicht um Aufmerksamkeit konkurrieren muss.
Dennoch – er kommt gerade an Macy’s vorbei, wo Frauen mit beiden Armen voller Einkaufstaschen ein und aus gehen und mit einer am Muskelspiel ihrer Waden und der Zielstrebigkeit ihrer Schritte erkennbaren tiefen Zufriedenheit über den Bürgersteig schreiten –, dennoch muss er zugeben, dass diese großen, festlich dekorierten Schaufenster etwas haben: all diese Farben, dieser Flitterkram, die glatte, geleckte Perfektion dieser Arrangements, die den Kunden den Wunsch eingibt, selbst ebenso perfekt zu sein, und zwar auf die einfachste Weise, nämlich dadurch, dass sie Geld ausgeben. Mach mich besser. Mach mich gesund. Mach meine Augen größer und meinen Bauch kleiner, mach meine Beine fester und mein Haar voller. Mach mich schön und erfolgreich, und vor allem mach, dass ich gemocht, bewundert und geliebt werde. Sehr wohl – und wo wir gerade dabei sind: Wie wär’s mit einem Home Entertainment Center?
Es ist kurz nach zehn, aber die bunten Glühbirnen, mit denen die Palmen behängt sind, leuchten und schimmern sanft vor dem Hintergrund der regenverhangenen Straße, die durch das Geschäftsviertel und vorbei an zahllosen Restaurants und Surfshops zur Pier führt, wo sie den Cabrillo Boulevard kreuzt, den Ocean Boulevard von Santa Barbara, Touristenattraktion der Stadt und irdisches Paradies umherschweifender Penner: großzügig, breit und von Palmen gesäumt, führt er am Meer entlang, von den Klippen am East Beach bis zur Marina im Westen, die Daves Ziel ist. An einer Ampel muss er halten, die Scheibenwischer fegen in Intervallen den Nieselregen beiseite. Genau vor ihm ist der Springbrunnen am Anfang der Pier, und für einen Augenblick ist er abgelenkt und denkt an den Penner von etwa Mitte Zwanzig mit dem Zylinderhut und dem knallroten Jackett – warum gibt’s so was heute nicht mehr? –, der an diesem Brunnen die Nummer mit seinem Disney-Hund abgezogen hat, den er im Tutu herumtanzen ließ, während im Hintergrund die Fontäne des Brunnens spritzte und schäumte. Der Junge war der König der Penner – die Touristen standen
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