Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
ihm das erste Mal im Leben widersetzte.
Ganz in der Nähe hupte ein gutaussehender Mann, vielleicht Ende zwanzig, in einem offenen Jeep und hielt mitten im Getümmel an. Er sprang vom Wagen, ohne die Tür zu öffnen, stützte sich dabei mit einer Hand leicht auf dem Überrollbügel ab und landete geschmeidig wie ein Gepard auf dem Boden. Oder wie ein Jaguar, schoss es Maria durch den Kopf. In Guatemala gab es noch Jaguare. Wieder stieg dieses leicht beklemmende Gefühl in ihr auf, wurde jedoch rasch von ihrer Begeisterung verdrängt.
»Maria?«, rief der Mann, während er sich durch die anderen geparkten Fahrzeuge schlängelte. Blond und mit dem Gesicht eines Hollywoodstars stach er deutlich zwischen all den dunkelhäutigen Spaniern und Maya hervor. Ohne auf eine Antwort zu warten, umarmte er sie stürmisch und hob sie hoch. »Wie schön, dass wir uns endlich treffen! Tut mir leid, dass ich zu spät bin; ich musste noch ein paar Dinge für den Professor erledigen. Wir kommen ja nicht so oft in die Stadt.«
Maria rang um Fassung. In natura sah er noch viel besser aus als bei ihren Skype-Chats. Stolz wandte sie sich ihren Freundinnen zu, um ihn vorzustellen. »Prescott, das sind Linda, Vicky und Tracey.«
»Sehr erfreut, die Damen.« Er griff nach Marias Reiserucksack, in dem sie alles Nötige für das Leben unter einfachsten Bedingungen bei einer archäologischen Ausgrabung gepackt hatte: Schlafsack, lange und kurze Outdoor-Hosen, Moskitonetz, Kochgeschirr. Im Gegensatz zu ihren bunt gekleideten Freundinnen trug Maria auch jetzt schon Khakishorts, Wanderstiefel und ein Trägerhemdchen sowie eine Gürteltasche; und für später hatte sie sich noch ein langärmeliges Oberteil um die Hüfte geschlungen. Trotz ihrer dunklen Haut hatte sie einen Sonnenhut aufgesetzt – ebenfalls khakifarben und mit breiter Krempe –, der ihrem Outfit hoffentlich den letzten Schliff verlieh.
»Also, bloß keine Sorge wegen Ihrer Freundin, meine Damen«, sagte Prescott, als könne er Gedanken lesen. »Wir haben ein Satellitentelefon im Basislager – solange das Wetter mitspielt, kann sie also jederzeit ihren Freund anrufen und ihm eine gute Nacht wünschen.« Er lachte und drehte sich wieder zu Maria um, dabei presste er eine Hand flach auf seine Brust, als hätte ihn ein Pfeil getroffen, und fügte leicht ironisch hinzu: »Aber bitte sag mir jetzt nicht, dass du tatsächlich einen Freund hast, denn sonst bricht es mir das
Herz.«
Maria errötete. »Nein, kein Freund. Noch nicht«, fügte sie entgegen ihrer sonst eher schüchternen Art hinzu. Während Prescott Marias Rucksack zum Jeep trug, umarmte sie ihre Freundinnen zum Abschied. »Denkt dran, zu keinem ein Wort«, ermahnte sie die drei und überreichte Linda ihren Bordausweis. »Und sagt meinen Eltern, sie sollen sich keine Sorgen machen.«
Sie lächelten Maria zu und winkten ihr zum Abschied. »Viel Spaß!«, rief Linda.
»Bring uns was vom Schatz mit«, sagte Tracey.
»Pass gut auf dich auf!«, rief Vicky.
Maria fühlte sich wie ein Filmstar, als sie mit Prescott am Steuer des Geländewagens vom Hafen weg und durch enge Gassen brauste, die von grellbunt gestrichenen Lehmziegel- und Betonhäusern gesäumt wurden. Es kam ihr vor, als würde ihr Leben endlich beginnen. Und was für ein aufregender Beginn das war, einem weltberühmten Professor bei einer Ausgrabung zu helfen, die die bisherige Sicht auf die Maya für immer verändern könnte. Von dem Schatz gar nicht erst zu reden – wenn sie richtiglag, dann hatten sie das im Codex Dresdensis erwähnte Gold ausfindig gemacht, einen seit Jahrhunderten verschollenen Schatz, der Millionen wert war. Abgesehen von dem Gold barg er jedoch auch wertvolle Einblicke in die Kultur der alten Maya, konnte vielleicht sogar das Geheimnis ihres Untergangs lüften.
»Der Professor freut sich schon darauf, dich kennenzulernen«, sagte Prescott und lenkte den Wagen um die langsameren Laster und bunten camionetas herum, in denen sich Einheimische drängten. Dabei hielt er nur eine Hand am Lenker, den rechten Arm hatte er lässig hinter ihrem Rücken auf ihre Sitzlehne gelegt. »Er war sehr beeindruckt von deiner Theorie. Wie du unsere Ausgrabungsstätte mit dem Dresdner Kodex in Verbindung gebracht hast – das war echt der Hammer.«
Marias Wangen brannten, als Prescott sie anstrahlte. »Danke. Aber wenn man erst einmal die gängige Annahme, dass der Kodex vom Izabal-See spricht, verwirft, kann eigentlich jeder darauf kommen. Und die
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