Wenn die Liebe erwacht
die Warnung nur aus halbem Herzen ausgesprochen, denn es verschaffte ihr Genugtuung, daß der neue Herrscher von Kempston durch die Probleme seiner Dienstboten gestört wurde.
Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, ihre Leute zu besänftigen, indem sie am nächsten Festtag Spiele für sie in Pershwick veranstaltete, doch in ihrer Beunruhigung über den Schwarzen Wolf und das, was er als nächstes unternehmen würde, entschied sie sich gegen jede Geselligkeit in ihrer Burg.
Nein, sie war besser beraten, wenn sie das Vorgehen ihrer Nachbarn genau im Auge behielt und ihren Leuten keine Gelegenheit bot, sich zu einem Anlaß zu versammeln, bei dem zwangsläufig getrunken wurde. Sie wußte, daß sie beschließen konnten, einen Plan auszuhecken, der allzu leicht auf sie zurückfallen konnte. Nein, wenn die Bewohner ihrer Ortschaft ein Komplott gegen den Schwarzen Wolf schmiedeten, war sie besser beraten, wenn sie es weit von ihr entfernt taten.
Sie wußte, was sie zu tun hatte. Sie würde noch einmal mit ihren Leuten reden müssen, und zwar entschieden. Aber als sie an den guten Alain dachte, der aus seinem Heim verbannt worden war, und an den armen Sir Edmond, der gestorben war und König Heinrich damit die Gelegenheit gegeben hatte, einem seiner Söldner die Gunst eines schönen Besitztums zu erweisen, fiel es ihr schwer, dem Schwarzen Wolf ein friedliches Dasein zu wünschen, sehr schwer sogar.
2. KAPITEL
Leonie reichte ihrer Zofe die Seife und beugte sich vor, damit Wilda ihr den Rücken waschen konnte. Sie wies den Eimer mit dem klaren Wasser zum Nachspülen zurück und lehnte sich in der Wanne zurück, um das beruhigende, nach Kräutern duftende Bad auszukosten, solange das Wasser noch so schön heiß war.
Im Kamin brannte ein Feuer, das dem Raum die Kälte nahm. Draußen herrschte ein milder Frühlingsabend, doch die kahlen Steinmauern der Burg von Pershwick brachten eine Kälte hervor, die nie nachzulassen schien. Da sich ihr Zimmer dem großen Saal angliederte und keine eigene Decke hatte, konnte jeder Windstoß dorthin Vordringen.
Pershwick war eine alte Burg, die weder auf Behaglichkeit, noch auf die Unterbringung von Gästen eingerichtet war. Der Saal war groß, aber er war nicht verändert worden, seit er vor hundert Jahren gebaut worden war. Leonies Gemach war mit Holzbrettern am erhöhten Ende des Saales abgeteilt worden. Sie bewohnte mit ihrer Tante Beatrix dieses Zimmer, und weitere Holzbretter unterteilten den Raum in zwei Hälften, um jeder der Damen eine gewisse Privatsphäre einzuräumen. Es gab keine Kemenaten für die Frauen und auch keine anderen Gemächer, die von dem Saal abgingen oder über ihm lagen, wie es in manchen der neuen Burgen der Fall war. Die Dienstboten schliefen im Saal und die Soldaten im Turm, dort schlief auch Sir Guibert.
Auch wenn es ein unwirtlicher Ort war, Pershwick war Leonies Zuhause, in dem sie die letzten sechs Jahre verbracht hatte. Seit sie hierhergekommen war, war sie kein einziges Mal nach Montwyn zurückgekehrt, ihren Geburtsort. Auch hatte sie ihren Vater seit damals nicht mehr gesehen. Und doch lag die Burg Montwyn nur fünf Meilen entfernt. Dort lebten ihr Vater, Sir William, und seine neue Frau, Lady Judith, die er im Jahr nach dem Tode von Leonies Mutter geheiratet hatte.
Wenn Leonie heute keine freundliche Erinnerung an ihren Vater hatte, konnte ihr das niemand vorwerfen. Nach einer glücklichen Kindheit beide Eltern auf einen Schlag zu verlieren, war ein grausames Schicksal, das sie nicht verdient hatte.
Früher hatte sie ihren Vater von ganzem Herzen geliebt. Jetzt empfand sie für ihn kaum noch etwas. Manchmal verfluchte sie ihn sogar. Dazu kam es, wenn er seine Diener ausschickte, um ihre Vorräte für seine ausschweifenden Feste zu plündern – und davon war nicht nur Pershwick betroffen, sondern auch Rethel Marhill. Auch diese beiden Ortschaften gehörten ihr. Er hatte nie eine Verbindung zu seiner Tochter aufgenommen, aber er erntete die Früchte ihrer harten Arbeit und raubte ihr die Einnahmen.
In den letzten Jahren hatte er jedoch immer weniger Erfolg gehabt, da Leonie gelernt hatte, wie sie den Kämmerer von Montwyn überlisten konnte. Wenn er mit seinen neuen Forderungen erschien, waren ihre Lagerräume nahezu leer, und ihre Vorräte waren über die ganze Burg verstreut an den unwahrscheinlichsten Plätzen versteckt. Ebenso verbarg sie ihre Gewürze und die Stoffe, die sie von den Kaufleuten in Rethel erwarb, denn manchmal kam auch Lady
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