WENN DIE LUST ENTLAMMT
Schritte,.
Als kurz darauf eine glänzende weiße Limousine mit dunklen Fensterscheiben an ihr vorbeiglitt, bot Mallory einen ziemlich jämmerlichen Anblick. Ihre Mascara hatte dunkle Streifen auf ihren Wangen hinterlassen, ihr hochgestecktes Haar hatte sich gelöst und hing ihr in wirren Locken um die Schultern, und ihre Füße waren zerkratzt und schmutzig, weil Mallory sich die Schuhe ausgezogen hatte, um sich mit den hohen Absätzen nicht den Hals zu brechen.
Konnte dieser Abend noch viel schlimmer werden?
Vor ihr fuhr die Limousine plötzlich an den Straßenrand, hielt abrupt an und kam dann langsam rückwärts auf Mallory zu. Ihr Herz klopfte ängstlich, und sie raffte schon wieder den Rock ihres Kleides, um zu fliehen. Doch dann wurde auf dem Rücksitz das Fenster geöffnet, und sie erkannte das Gesicht, das ihr daraus entgegenblickte.
Sekunden später wurde die Tür geöffnet, und die Person im Wagen bedeutete ihr mit einer herrischen Geste, einzusteigen. Mallory zögerte nur eine Sekunde. Dann ging sie mit einem erleichterten Schluchzen und leicht hinkend zur Limousine und stieg ein.
Gleich darauf machte sich das elegante Fahrzeug wieder auf den Weg und verschwand in der Dunkelheit.
Gabriel merkte schon am beharrlichen Klingeln an der Haustür, dass sein Besucher nicht Mallory war.
Trotzdem waren die Enttäuschung und die Verzweiflung niederschmetternd, als er durch den Flur eilte, die Tür aufriss und nur Cooper vor sich stehen sah.
Eine Sekunde lang war es fast mehr, als er ertragen konnte.
Dann riss er sich zusammen, erinnerte sich daran, dass er sich das alles selbst zuzuschreiben hatte, und zwang sichdurchzuhalten. Die einzig mögliche Alternative wäre gewesen, aufzugeben, und das kam in keinem Fall infrage. Zwar bemühte er sich, niemanden vor den Kopf zu stoßen, doch er machte keinen Hehl daraus, dass er jetzt ebenso wenig in Stimmung für Gesellschaft war wie in den vergangenen sechs Tagen.
Er betrachtete seinen Bruder mit ausdrucksloser Miene. „Was tust du hier?“
„Ich bin gekommen, um dir zu erzählen, was es Neues über die Landow-Sache gibt.“
„Habt ihr Landow schon gefunden?“
„Nein.“
„Okay.“ Er nickte kaum merklich. „Vielen Dank für die Information.“ Er verpasste der Tür einen Stoß und drehte sich um.
„Ach, zum Teufel noch mal.“ Mit einem Manöver, das Cooper nie hätte zu Ende bringen können, wenn Gabriel auf der Höhe seiner Kräfte gewesen wäre, stieß er die Tür wieder auf und schob sich einfach an ihm vorbei ins Haus.
„Ich habe dir nicht ganz die Wahrheit gesagt.“ Cooper blieb wohlweislich außer Reichweite seines Bruders. „Der wahre Grund, weswegen ich hier bin, ist, dass sich alle Sorgen um dich machen.“
Gabriel überlegte einen Moment, ob er seinem Bruder beibringen sollte, was mit Leuten geschah, die unerlaubt irgendwo eindrangen, wo man sie nicht haben wollte. Aber dann wurde ihm die Komik der Situation bewusst, und er lächelte schief. Langsam schloss er die Tür. „Und wer sind ‚alle‘?“
Zum ersten Mal sah Cooper ein wenig beschämt aus. „Nun ja, wir eben, deine Brüder … aber vor allem Lilah und Genevieve.“
„Und du hast den Kürzeren gezogen?“
„So ungefähr.“
Hätte er sich denken können. Als das letzte Mal eine seiner Schwägerinnen sich Sorgen gemacht hatte, war er selbst an Coopers Stelle gewesen und hatte sich zum Dank einen Kinnhaken von Taggart eingefangen.
„Verdammt“, sagte er leichthin und ging an Cooper vorbei den Flur hinunter. „Du hast fünf Minuten, um loszuwerden, was du zu sagen hast. Dann kannst du zurückgehen und die Mädchen davon überzeugen, dass ich okay bin und sie mich in Ruhe lassen sollen.“
„Na ja …“ Cooper folgte ihm ins Wohnzimmer. Mit einem Blick nahm er das Kissen und das Laken auf dem Boden wahr, das sich stapelnde Geschirr im Spülbecken in der offenen Küche und die Zeitungen, die überall herumlagen. „Ich weiß nicht“, sagte er skeptisch. „Du siehst mir nicht besonders okay aus, Bruderherz.“
Gabriel fuhr sich mit der Hand über das unrasierte Kinn und zuckte die Achseln. „Na schön, ich habe mir ein paar Tage freigenommen. Ist das verboten?“
„Nein, natürlich nicht, aber …“ Cooper ging in die Küche und schenkte sich eine Tasse kalten Kaffee ein, nahm einen Schluck und zog eine Grimasse. „Willst du darüber reden?“, fragte er leise und schüttete den Kaffee ins Spülbecken.
Als Gabriel ihn nur stumm ansah, seufzte Cooper.
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