Wenn die Mandelblueten bluehen
Mühsam unterdrückte sie eine zornige Erwiderung. Du gewinnst nichts, wenn du die Beherrschung verlierst, ermahnte sie sich und zuckte nur die Schultern, was ihren schmerzenden Muskeln nicht gut tat. "Sie haben alles Wesentliche erfahren", sagte sie betont gelangweilt.
Er hätte ihr jetzt zehn von zehn möglichen Punkten für Beherztheit zugestanden. Sie musste Schlimmes erlebt haben, das sah man ihr an. Ihre Ehe war bestimmt alles andere als eitel Sonnenschein gewesen, doch er wusste wirklich nur das Wichtigste über Daisy. Sie konnte sehr gut mit Kindern umgehen, und ihr Leumund war tadellos. Ihr Mann hatte seinem Informanten zufolge mit ihren Gefühlen gespielt, und diese Information hatte ihm, Slade, zuerst genügt.
Nun aber wollte er mehr über sie erfahren. Tatsächlich wollte er alles wissen, was es über Daisy Summers zu wissen gab.
Lächelnd nickte er ihr zu und verließ das Zimmer.
2. KAPITEL
Wie konnte Slade Eastwood es wagen, in meinem Privatleben herumzuschnüffeln? dachte Daisy erzürnt, nachdem er gegangen war. Unglaublich, dass jemand die Unverschämtheit besaß, so etwas zu tun und sich dann auch noch damit zu brüsten! Aber Männern war ja alles zuzutrauen.
Das erinnerte sie an Ronald, doch den Gedanken verdrängte sie rasch. Nein, sie konnte sich noch nicht wieder an ihn erinnern, ohne sich dabei zu wünschen, zu sterben oder ihn umzubringen - oder beides. Zorn und Bitterkeit würden sie allerdings schwächen, und sie musste, mit ihren Kräften haushalten, wenn sie das Krankenhaus so schnell wie möglich verlassen wollte.
Am nächsten Morgen würde sie es tun, egal, was der Arzt sagte. Am Nachmittag hatte sie die Schwester nach den genauen Kosten gefragt, und wenn sie nicht im Bett gelegen hätte, wäre sie vor Schreck umgefallen. Für den Betrag, den ein einziger Tag kostete, würde sie einen Monat lang arbeiten müssen! Von Panik erfüllt, atmete Daisy tief durch, um sich zu beruhigen, und ein stechender Schmerz durchzuckte sie.
"Ruhig, Mädchen, ganz ruhig", redete sie sich zu und ließ den Blick durch das luxuriös ausgestattete Zimmer schweifen.
Warum nur hat Slade Eastwood darauf bestanden, mich hierher bringen zu lassen statt in ein staatliches Krankenhaus? fragte sie sich verzweifelt. Was hätte sie jetzt nicht darum gegeben, in eine m lärmerfüllten, karg eingerichteten Krankensaal zu liegen!
Ja, sie würde die Klinik am nächsten Morgen verlassen, auch wenn man ihr noch davon abriet.
Müde legte sie sich schließlich hin. Ich könnte Stephanie anrufen, überlegte sie. Ihre Freundin hatte ihr in den vergangenen sechzehn Monaten unerschütterlich zur Seite gestanden, obwohl ihr Mann und Ronald die besten Freunde gewesen waren. Da sie Stephanie drei Tage zuvor am Telefon versprochen hatte, ihr zu berichten, wie das
Vorstellungsgespräch verlaufen war, wunderte diese sich wahrscheinlich schon, warum sie nichts mehr von ihr gehört hatte.
Stephanie hob nach dem zweiten Klingeln ab, und beim Klang der vertrauten Stimme wäre Daisy beinah in Tränen ausgebrochen.
"Hier ist Daisy", sagte sie und verstärkte den Griff um den Hörer.
"Daisy! Wo hast du bloß gesteckt? Ich habe ein paar Mal bei dir angerufen und dich nie erreicht. Allmählich habe ich mir Sorgen gemacht."
"Schon gut." Dass ihre Freundin so besorgt um sie war, munterte Daisy auf. "Ich bin noch nic ht in die Themse gesprungen."
"Mach keine dummen Witze! Ich habe mir alles Mögliche ausgemalt", erwiderte Stephanie leise. "Du hast so viel durchgemacht und es tapfer ertragen, aber irgendwann ist jeder mit seiner Kraft am Ende. Hast du den Job bekommen?"
"Nein, aber ..." Jetzt wurde es schwierig. "Gerate jetzt bitte nicht in Panik, ich muss dir etwas erzählen."
Schweigend hörte Stephanie zu, während Daisy ihr von den jüngsten Ereignissen berichtete. "Mach dir keine Sorgen, es geht mir schon wieder ganz gut", erklärte sie schließlich. "Du solltest das Zimmer hier sehen, es ist traumhaft. Und ich werde richtig verwöhnt."
"Ach Daisy." Es klang, als würde Stephanie sich die Nase putzen. "Du bist der netteste Mensch, den ich kenne, und dass dir das nach allem anderen auch noch passieren musste, finde ich ausgesprochen unfair! Meiner Meinung nach ist es nur recht und billig, dass sich dieser Mr. Eastwood um alles kümmert."
"Nein, an dem Unfall war ich ganz allein schuld."
Nach einer Pause sagte Stephanie zögernd: "Es gibt da etwas, das du erfahren solltest, aber ich weiß nicht, wie ich es dir schonend
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