Wenn die Turmuhr 13 schlägt
der dritte Ganove? Wo war das Narbengesicht?
„Hilfe... Mädchen... hier!“ hörte sie eine schwache Stimme. Sie kam direkt von der Tür. Lilo leuchtete mit der Taschenlampe in die Richtung und sah den Mann im blauen Overall. Seine Beine waren unter einem Haufen von Steinen eingeklemmt.
„Ich... ich... komme schon. Ich werde Sie befreien“, rief Lieselotte und lief zu ihm.
„Mädchen“, das Narbengesicht packte die Hand der Knickerbocker-Anführerin. „Mädchen... laß das. Setz’ dich hin. Hör’ mir zu...“
Lieselotte verstand nicht ganz, tat aber, was der Mann von ihr verlangte.
„Was... was macht ihr eigentlich hier..? Ich... ich habe euch doch gewarnt... haltet euch raus“, keuchte er.
„Seien Sie froh, daß wir die Warnung nicht ernstgenommen haben“, meinte Lilo. „Wären wir nicht hier, könnten wir auch keine Hilfe für Sie holen. Die Rettung ist sofort da. Die Polizei aber auch...“ fügte sie mit einem ängstlichen Blick auf den verletzten Mann leise hinzu.
Der bohrende Blick
„Das ist schon gut so“, keuchte der Mann. „Ich bin nämlich keiner von denen. Ich habe keine Angst... Aber jetzt paß auf... Ich muß dir etwas erzählen. Falls mich meine Kräfte verlassen, wirst du der Polizei dann alles mitteilen.“
Lilo lauschte gespannt. Wer war der Mann mit dem entstellten Gesicht? Wieso redete er so merkwürdige Sachen?
„Ich... ich bin kein Ganove“, begann er. „Ich war es einmal... vor langer Zeit! Damals war ich selbst einmal ein Helfer des Schwarzen Mönchs. Allerdings ist er in dieser Zeit stets in einem Zottelfell und mit einer geschnitzten Perchtenmaske aufgetreten.“
„Wer versteckt sich hinter diesen Verkleidungen?“ wollte Lieselotte wissen.
Der Mann mit dem Narbengesicht schüttelte den Kopf. „Ich weiß es bis heute nicht. Doch auf jeden Fall ist der Kerl ein genialer Geldfälscher. Er besitzt hervorragende Druckplatten, mit denen man Geld pressen kann. Aber er macht sich nie selbst die Finger schmutzig. Die Drecksarbeit läßt er andere machen. Damals war ich einer seiner Helfer. Als wir das ganze Falschgeld verteilt hatten,... da hat er einen Bluthund auf uns losgelassen. Die Bestie war darauf trainiert zu töten. Sie sollte uns beseitigen, damit er nicht teilen mußte. Seit damals habe ich die Narben und meine zertrümmerte Nase. Ich wurde von der Polizei gefaßt und habe meine Strafe im Gefängnis abgesessen. Der Boß konnte natürlich entkommen. Aber ich habe mir geschworen, ihn eines Tages zu fassen und zu entlarven!“ Der Mann atmete schwer.
„Sie dürfen sich nicht so anstrengen“, versuchte ihn Lieselotte zu beruhigen.
„Aber... ich will und muß dir alles sagen“, stieß der ehemalige Ganove hervor und setzte seinen Bericht fort. „Als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, habe ich die Seiten gewechselt. Ich wurde Privatdetektiv. Ein Gedanke war aber stets in meinem Kopf: Ich wollte meinen ehemaligen Boß aufspüren und seine Machenschaften auffliegen lassen.
Verbindungen zur Unterwelt unterhalte ich bis zum heutigen Tag, da sie oft sehr nützlich sein können. Und von meinen Informanten habe ich auch erfahren, daß der Geldfälscher-König – wie er genannt wird – sein neuestes Ding in Graz drehen will. Ich konnte mich einschleusen und habe bald seinen teuflischen Plan erfahren.“
„Was ist das für ein Plan?“ Lieselotte blickte den Mann gespannt an.
„Fredo... das ist der kleine Mann mit dem schwarzen Spitzbart... er ist nicht nur Hellseher, sondern auch Hypnotiseur. Fredo hat in Indien eine ganz besondere Art der Hypnose erlernt. Ein Blick von ihm genügt, und er zieht dich in seinen Bann. Fredo kann jedem Menschen Befehle erteilen, die dieser sofort ausführen muß. Die Leute werden willenlos und haben keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren.
Unter all den Männern und Frauen, die in seine Bude auf dem Rummelplatz gekommen sind, hat sich Fredo einige ausgesucht. Er hat sie gefragt, ob sie in der Nähe des Schloßberges zu Hause sind. War die Antwort ‚ja’, wurden sie von ihm hypnotisiert. In Hypnose hat er sie dann zu perfekten Tresorknackern ausgebildet. Die Tips dazu hat er von Frasto, der in der Unterwelt als ,Tricki’ bekannt ist. Er kennt einfach alle Möglichkeiten, eine Alarmanlage außer Betrieb zu setzen und eine Bank zu knacken. Frasto ist übrigens der kleine Bruder von Fredo.“
Bei dem Gedanken, daß der Bulle von einem Mann mit dem zarten Männchen verwandt sein sollte, mußte Lilo für einen
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