Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Wasser.
»Keine Angst, ich habe einen Passierschein dabei«, sagte de Nesle.
Guy blickte ihn verdutzt an. Bei dem hellen Tageslicht an diesem sommerlichen Morgen hatte er bereits feststellen können, wie dieser komische Kauz gekleidet war: Die Hose besaß ein rotes und ein gelbes Bein; die spitz zulaufenden Lederschuhe waren rot und mit gewundenen Goldschnallen besetzt; dann trug er etwas, das verdächtig nach einem weißen Seidenhemd mit langen Ärmeln aussah, und darüber eine Art Kricket-Pullover, der aus kleinen, sehr schmalen und ineinandergreifenden Metallringen gefertigt war.
»Jetzt wart doch mal einen Augenblick!« flüsterte 18
Guy aufgeregt, aber de Nesle lächelte nur. Dieser komische Kerl hatte auch ein seltsames Gesicht –
sehr schmal und mit einer langen spitzen Nase.
Selbst sein Haar war merkwürdig geschnitten – an den Seiten und hinten kurz, oben dicht und lockig. Es erinnerte Guy an irgend etwas.
»Überlaß das nur mir«, besänftige ihn de Nesle, und während er dies sagte, bog er bereits um die Ecke.
Zu seiner eigenen Verwunderung folgte Guy ihm; die ganze Geschichte und auch sein eigenes Verhalten wirkten auf ihn äußerst befremdend, aber wahrscheinlich war das so, wenn man tot war.
Der kräftig gebaute deutsche Soldat, der vor dem Rathaus von Benville Wache schob, blickte auf und nahm bereits das Gewehr ab. Doch mittendrin brach er diesen Vorgang ab und schien sich zu entspannen.
»Guten Morgen«, sagte de Nesle. »Moment, ich habe einen Passierschein.« Er griff in die Innenseite des Metallpullovers und holte einen gefalteten Per-gamentpapierfetzen hervor, den er aufschlug und dem Wachposten zeigte. Der deutsche Soldat las das Dokument zweimal durch, dachte darüber nach, zuckte schließlich mit den Achseln und salutierte.
»Tausend Dank. Dieser britische Pilot hier gehört übrigens zu mir«, klärte de Nesle den Wachposten auf.
Der Deutsche nickte, und Guy folgte dem merkwürdigen Kerl ins Rathaus.
»Bekomm jetzt bloß keinen falschen Eindruck von mir, ich selbst bin kein Deutscher, falls du das gedacht hast. Wenn man so will, ist das hier ein Pas-19
sierschein für alle Gelegenheiten. Hier, schau selbst.«
De Nesle gab Guy den Zettel, auf dem stand: DIESER MANN IST EIN DEUTSCHER GENERAL.
Guy dachte kurz darüber nach, dann griff er nach seinem Revolver.
»Nein, nein«, beruhigte ihn der merkwürdige Typ.
»Entschuldigung, ich habe völlig vergessen, daß ich dich erst einmal überzeugen muß. Hier, jetzt schau noch mal drauf.«
Guy blickte erneut auf das Stück Pergamentpapier in seiner Hand, auf dem jetzt stand: DIESER MANN IST KEIN DEUTSCHER GENERAL.
DIESER MANN IST JOHN DE NESLE.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Guy und gab ihm den Passierschein zurück, »aber mit der Zeit wird man immer mißtrauischer und …«
»Das geht schon in Ordnung«, unterbrach ihn de Nesle. Dann steckte er den Zettel wieder ein und orientierte sich. »Ich glaube, da geht’s lang.«
Der Weg führte die beiden eine Treppe hinauf, die in einen schmalen Flur mündete, von dem etliche Büros abgingen. Alles sah wie in einem x-beliebigen Rathaus irgendwo auf der Welt aus. Zwar war niemand zu sehen, aber es war ja auch noch sehr früh am Morgen.
20
De Nesle sah sich genau an, was auf den Türen stand.
»Du hast dich eben mit dem Wachposten auf englisch unterhalten, trotzdem hat er dich verstanden«, fiel Guy plötzlich ein.
»Diese Gabe habe ich nun mal«, antwortete de Nesle achselzuckend. »Aha, das Büro da vorn sieht ganz so aus, als müßte es hinhauen.«
Er blieb vor einer Tür stehen, auf der Privée: de-fense d’entrer stand. Dann drückte er die Klinke, doch die Tür war verschlossen.
»Ja, hier klappt’s«, stellte er beiläufig fest, rüttelte dreimal an der Tür, murmelte etwas vor sich hin und drückte erneut die Klinke. Die Tür öffnete sich. Er trat ins Zimmer und verschwand.
Aus Gründen, die Guy wohl selbst am besten verstand, folgte er ihm.
Wie allgemein bekannt ist, stehen einem jederzeit gern erfahrene Frauen und Männer mit ihrem Fach-wissen zur Seite, wenn man das Glück hat, viel Geld zu besitzen, und wenn man nicht mehr Steuern bezahlen möchte, als unbedingt notwendig. Weniger bekannt ist, daß Finanzberatung auf vier Ebenen stattfindet: auf der gewöhnlichen oder sogenannten Steuerberaterebene, auf der höheren oder auch Spe-zialistenebene, auf der Luxus- oder internationalen Beraterebene und auf der Nonplusultra- oder Beaumont
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