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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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als stinknormale Skitouristen durch und genießen die Reise.
    »Seid ihr sicher, dass uns niemand folgt?« Als wir hinter unseren Mitreisenden Richtung Exit herlatschen, sieht Kolja ein letztes Mal zurück und seufzt: »Ich kann’s nicht fassen, ein richtiger Urlaub!«
    »Riski hat für uns den Jakobsweg auf Skiern geplant. Pilgern auf Brettern«, erinnere ich ihn.
    »Cool, gleiten wir durch die unberührte Natur. Ich sehe das nicht als Strafe an. Zumal ihr im Wechsel meinen Rucksack schleppen werdet.« Kolja grinst triumphierend. »Die Akte M, schon vergessen? M wie Muskelmann, Macker oder Dr. Motta aus Duisburg. Wir haben noch eine kleine Rechnung offen, Freunde.« Er lacht sich schlapp und schmückt aus, wie wir am Ende unsrer Kräfte seine Lasten schleppen.
    Zeit dazu hat er, weil Riski noch nicht da ist.
    Yack!
    Drei Moltebeerensäfte später dreht sich ein fremd anmutender Riski mit Bart in der Halle einmal um die eigene Achse und breitet die Arme aus. Ich fliege hinein.
    Blond, Bart, Biathlon … Wir tauschen Neuigkeiten aus, bis uns die Schönheit des Mondscheins auf den weiten Schneeflächen verstummen lässt.
    Riskis Blockhaus liegt am Ufer des Inarisees und strahlt eine Art selbst gezimmerte Männergemütlichkeit aus, die Kolja und Paolo sofort begeistert. Ich lege mir ein Fell unter den Hintern.
    »Und jetzt erzählt mal, wie seid ihr zu euren sensationellen Noten gekommen?« Riski schaut uns an wie einharmloser Finne, der sich für erfolgreiche Lernmethoden interessiert.
    »Becks Drohung, wir müssten in aller Zukunft vom untersten Sozialhilfesatz leben, hat das bewirkt«, sage ich.
    »Dann kann ich seinen Frust nachvollziehen. Ihr unterstützt ihn im Gegenzug nicht bei seiner Arbeit.«
    »In der Werkstatt ja, bei seinem Buch nein«, sagt Kolja.
    Ich verstehe Riski so, dass er die heiklen Themen vom Tisch haben will.
    »Hättest du eine Graugans von Konrad Lorenz sein wollen? Oder ein Schimpanse von Jane Goodall?«, frage ich ihn. »Ich entfalte mich lieber unbeobachtet.«
    Das sieht Riski ein, und dann stehen nur noch Brot, geräucherter Fisch, getrocknetes Rentierfleisch, drei Flaschen Lapin Kulta und meine Kanne Tee auf dem Tisch.
    Wir reden über Kommissar Mieto, den unaufgeklärten Mord an Sandra, die Spur nach Deutschland, den Einbruch in Lauterstetten … und dann endlich breitet Riski auf der freien Tischfläche eine Karte vom Pasvik Zapovednik Nationalpark aus.
    Unsre Ausrüstung für die Schneewanderung ist eine komplette Leihgabe der Skischule Ivalo. Riski hat sie für uns besorgt, und wir testen, ob alles passt und in Ordnung ist, denn morgen früh werden wir aufbrechen.
    Direkt vom Haus aus laufen wir los. Paolo vorneweg, gefolgt von Kolja, Riski korrigiert ihre Lauftechnik, und ich zuckle hinterher. Es dauert eine Weile, aber dann klappt es auch bei Kolja.
    »Super, Kolja! Morgen läufst du Tilly davon«, lobt Riski.
    Kolja dreht sich um und grinst mich an.
    Von schräg hinten fällt Sonnenlicht auf den in allen Farben funkelnden Schnee. Es sieht so sauber aus. Ich wünsche mir, auch so rein zu sein wie frisch gefallener Schnee. Meine Haare haben den Anschein von Reinheit, aber der Rest? Wenn ich neu anfangen will, muss ich mich immer wieder neu erfinden können. Das liegt in der Natur der Sache  – selbst Schnee wird dreckig mit der Zeit. Bleibt also zu hoffen, dass der Chef unseren Wunsch nach Diskretion respektiert.
    »Tilly, come on!«
    Ich bin stehen geblieben.
    Vor uns ist eine weite, leicht abfallende Ebene. Riski will ein Rennen fahren, ich sehe es am wölfischen Blitzen seiner Augen. Ich spanne mich an wie eine Feder und laufe los.
    »To the grove!«
    Riskis ausgestreckter Skistock zeigt auf eine verschneite Baumgruppe circa einen Kilometer weit entfernt.
    Glück, Jubel, ich laufe! Nicht direkt auf das Ziel zu, ich laufe einen leichten Bogen nach links. Der Schnee dort ist vom Wind gezeichnet, verharscht. Ich werde leicht und fliege vor mich hin. Zehn Skilängen vor Riski bin ich am Ziel. Er lacht und schmeißt sich in den Schnee. »Oh, Tilly, ich hab dich vermisst!«
    Wir warten auf Paolo und Kolja. Letzterer sieht weniger glücklich aus. Zweimal hat’s ihn aus der Spur gehauen. Er keucht: »Morgen zieh ich dich ab.«
    »Na, klar«, sag ich.
    Paolo redet nicht viel, seitdem wir unterwegs sind, doch seine Nähe spüre ich umso intensiver.
    23. 12. 13 Pasvik Zapovednik
    Ich stehe auf und hinterlasse im Schnee den Abdruck eines Engels mit ausgebreiteten Flügeln.
    Beck taucht

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