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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Haus gehört seit Generationen der Familie meines Vaters.
    Aber das sagte ich ja schon.
    »Ach, Mel, du bist doch bloß neidisch auf Tammy.« Er drehte sich um.
    »Wieso?« Doch da war er schon rausgegangen und ich konnte mir nur noch selbst eine Antwort geben. Ja, ich war neidisch. Mir war nur noch nicht ganz klar, worauf. War es ihr Aussehen? Oder eher die arrogante Selbstsicherheit, mit der sie sich präsentierte?
    Ich blätterte eines der amerikanischen Modemagazine auf, von denen ein ganzer Stapel auf dem Tisch lag.
    Ich wusste natürlich: Man soll nicht neidisch sein. Das sagen sie einem in der Kirche und in der Schule. Denen reicht es nicht, uns Mathe und all das beizubringen. Nein, es sollte auch noch was fürs Leben dabei sein.
    Aber heute weiß ich: Es hat nichts geholfen: Mission gescheitert, Lernziel verfehlt.
    Also, ich war neidisch und ich mochte Tammy vom ersten Moment an nicht.
    Schwitzend, müde und durstig sank ich auf einen der Ritterburgstühle mit den samtroten Sitzflächen. Das war ja alles so was von dekadent! Die Villa mit Türmchen und Treppchen und diesen alten Möbeln und den alten Tapeten. Man fühlte sich wie in einer Filmkulisse. Als Betten haben sie sicher Himmelbetten mit tausend Kissen, dachte ich gerade, als Tammy mit einem Stapel Handtüchern vor mir auftauchte. Da merkte ich, wie sehr ich mich nach einer Dusche sehnte.
    »Also ehrlich«, erwiderte ich, ein bisschen zu theatralisch vielleicht, »ich sag nie mehr was gegen unser Wetter. Das ist ja Hölle hier.«
    »Gewohnheitssache«, gab Tammy zurück, ich folgte ihrem Blick, der abschätzend an mir herunterglitt.
    »Aber du hast ja auch echt weiße Haut! Am besten gehst du gar nicht raus.« Ihr Lächeln war gemein und ich gab es ihr genauso zurück.
    »Kein Problem, ich hab Sonnencreme mitgenommen.«
    »Wie klug von dir!«
    Würde das jetzt die ganze Zeit so gehen? Würde eine Beleidigung auf die andere folgen?

6
    »Ich bin nicht zum ersten Mal im Süden«, sagte ich mit noch immer demselben Lächeln auf den Lippen. Ich versuchte Claas, der gerade wieder hereinkam, mit meinem Blick zu verstehen zu geben, dass es eine blöde Idee war, mich hierher zu schleppen.
    Aber Claas studierte schon mit schräg gelegtem Kopf die Titel der Bücherwand auf der langen Seite des Wohnzimmers.
    Tammy zuckte die Schultern. Sie musste es nicht aussprechen, ich wusste auch so, dass ihr mein Sonnenbrand total egal wäre.
    Während ich noch überlegte, mit welcher Strategie ich sie am tiefsten und zuverlässigsten verletzen könnte – ließ mich eine Stimme herumfahren.
    »Hi!«
    Mein erster Gedanke war, als ich Julian an der Küchentheke lehnen sah: Ich bilde ihn mir nur ein. Er entspringt meiner Fantasie, der klischeehaften Vorstellung siebzehnjähriger Mädchen von einem – nennen wir ihn mal: Traumtypen.
    Peinlicherweise musste ich zugeben, dass ich wohl in dieser Hinsicht auch ziemlich archaisch ticke – in denselben simplen Kategorien denke wie meine zotteligen Vorfahren in den Steinzeithöhlen.
    Nein, er sah nicht intellektuell aus und auch nicht kompliziert – sondern einfach bloß … cool. Als wären ihm die Schule und das, was sie einem als Zukunft versprechen, scheißegal, als wüsste er, dass nur der Moment zählte, und deshalb würde er sich einfach das Surfbrett unter den Arm klemmen und zum Strand schlendern. Barfuß über den Asphalt, mit nacktem Oberkörper. Die blonden Haare ausgebleicht von Sonne und Meer, braun gebrannte Haut über klar definierten Muskeln. Kurze Hosen und keine Schuhe.
    Ich glaube, meine Hand zitterte ein wenig, als ich sie ihm entgegenstreckte, bevor ich merkte, dass diese steife Begrüßung völlig unpassend war. Er lachte – ich sah seine regelmäßigen weißen Zähne – und ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde und auch meine Knie zu zittern begannen.
    »Hallo«, sagte ich mit viel zu hoher Stimme.
    »Mel, richtig?« Seine blauen Augen blickten in meine und für einen Moment hatte ich wirklich das Gefühl, ich könnte ihn interessieren.
    »Und du musst Julian sein«, konterte ich, ein wenig gefasster schon.
    Es kam mir vor, als hätte sich ein Vakuum um uns herum gebildet, in dem wir erstarrt waren. Julian und ich in einer Blase.
    Da rettete Claas – ob er mitbekam, was da gerade passierte, weiß ich nicht – die Situation. »Und wo ist jetzt die coole Bar von deinem Vater, Julian?«
    Die Blase zerplatzte und schleuderte uns wieder in die profane Welt zurück, zu Julians arroganter, schöner

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