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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Schwester und einem klugen, spöttischen Claas.
    »Komm, ich zeig sie dir!«, sagte Julian und lachte dieses Schauspielerlachen, das mein Verstand überheblich gefunden hätte, wenn er denn noch funktioniert hätte.
    Ich sah zu Claas hinüber. Obwohl er nicht schmächtig war, wirkte er gegen Julian geradezu schmal. In seiner Stirn klebte eine braune Locke. Seine Brillengläser waren beschlagen und er selbst war blass. Ich fürchtete, dass auch ich nicht gerade ein gutes Bild abgab, durchgeschwitzt, mit dem Ansatz eines Sonnenbrandes auf den Armen und auf der Nase. Wir passten irgendwie nicht hierher, in diese Welt der strahlenden Schönheiten, des Reichtums und der Coolness.
    Es ist beschämend, ja, aber sofort beherrschte mich nur noch die Sehnsucht nach Julian. Sie fühlte sich an wie eine Wunde, die nur heilen würde, wenn er seine Hand darauf legte.
    Meine Augen suchten ihn, als wären sie magnetisch von ihm angezogen, so lange, bis er in meinem Blickfeld auftauchte. Und dann warteten sie darauf, dass er ihren Blick erwiderte.
    »Wir haben Wodka …«, sagte er, aber ich hörte gar nicht, was er alles aufzählte, sah ihn nur gebannt an, wie er auf der Terrasse am Kühlschrank lehnte, so ohne Eile. Cool eben.
    Wie in einem Luxushotel standen weiße Liegestühle an einem Pool mit himmelblauem Wasser. Direkt vor uns lud eine Lounge, von einem weißen Sonnensegel überspannt, zum Chillen ein.
    Zikaden zirpten und die Spitzen der Zypressen bewegten sich ganz leicht im Wind. Irgendwo zwitscherte ein Vogel immer dieselben zwei Töne.
    »Mann!« Ächzend ließ sich Claas auf die Rattancouch mit den weißen Polstern fallen und streckte die Beine von sich. »Genial, oder, Mel?«, sagte er voller Begeisterung. Ich setzte mich auf einen extrabreiten Sessel schräg gegenüber von Claas und sagte: »Mhm, aber ganz schön heiß hier.«
    Tammy kam mit zwei Wasserflaschen herüber. »Mel – hat dich deine Mutter nach Mel Gibson benannt?« Ihr Lächeln war zu strahlend, um echt zu sein.
    Am liebsten hätte ich gar nicht geantwortet, doch da wir ja zumindest so taten, als wären wir nett zueinander, antwortete ich äußerst knapp: »Mel ist die Abkürzung von Melody. Ist ein irischer Frauenname. Meine Großmutter heißt so.«
    »Ach, wie süß!« Ihr Haar zurückwerfend ließ sich Tammy auf die Couch fallen. »Oh je, bin ich froh, dass meine Eltern einen eigenen Namen ausgesucht haben. Sonst würde ich jetzt Martha heißen. Huuuh! Was dagegen, wenn ich dich Melody nenne?«
    »Ja«, sagte ich bloß und drehte die Flasche auf.
    »Schade!«, sagte Tammy. »Wenn ich deine Großmutter wäre, wäre ich gekränkt.«
    »Wenn du meine Großmutter wärst, hätte mich meine Mutter sicher nicht nach dir genannt«, konterte ich. Aber ich hatte den Eindruck, sie verstand meine bösartige Bemerkung gar nicht.
    Sie lehnte einfach den Kopf zurück und schloss die Augen, als wären wir gar nicht da.
    Blöde Kuh, dachte ich und versuchte, meinen Ärger herunterzuschlucken. Warum genoss ich nicht einfach den Urlaub?
    Ich hielt die Flaschenöffnung dicht an meine Lippen und spürte, wie die Kohlensäurebläschen platzten und ganz zart und kühlend mein Gesicht bespritzten.
    Mein Wunsch nach Schlaf und einer Dusche war von einem viel stärkeren abgelöst worden: Ich war hellwach, schwitzte und wartete ungeduldig darauf, dass Julian hinter der Theke wieder auftauchen würde.
    Claas redete unentwegt, ab und zu drang ein Wort zu mir durch, »romanische Ausgrabungen« und »Tagundnachtgleiche« und »Cicero« meinte ich, aufgeschnappt zu haben, aber im Grunde war es mir egal. Alles war mir auf einmal egal – alles außer Julian.
    Da! Er kam mit diesem lässigen Grinsen, der Sonnenbrille auf dem Haar auf uns zu – mit vier Dosen Red Bull in seinen gebräunten, kräftigen Händen. Rasch sah ich weg, tat so, als starrte ich nicht ihn und seinen sonnengebräunten Waschbrettbauch an, sondern den blauen Himmel. Ach ja und seinen Nabel versuchte ich auch aus dem Kopf zu kriegen. Ich stehe auf Nabel.
    Kennst du das, wenn man spürt, wie die Raubkatze in dir erwacht? Sie gähnt, dehnt ihren Rücken, streckt ihre Läufe, fährt die Krallen aus, leckt sich übers Maul, schärft ihren Blick und nimmt die Witterung auf, ihr Herzschlag beschleunigt sich, sie wartet auf ihre Beute.
    Ich kam mir vor wie eine dressierte Wildkatze.
    »Und, was macht ihr zwei so den ganzen Tag?«, fragte Claas, als sich Julian neben seine Schwester auf die andere Couch setzte, direkt mir

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