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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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gegenüber.
    »Chillen«, sagte Tammy und strich sich mit einer grazilen Geste die blonden Haare aus der Stirn. Ich versuchte, mir eine Strähne aus der Stirn zu blasen, aber sie klebte fest. »Ist ja auch viel zu heiß«, hörte ich mich sagen, »da kann man nur schwimmen gehen und rumhängen.«
    Julian sah zu mir herüber. Hatte er mich überhaupt schon richtig angesehen? Ob er schon bemerkt hatte, dass mich seine Schwester nicht mochte – und umgekehrt?, fragte ich mich.
    »Wir haben überlegt, ob wir einfach hierbleiben«, sagte Julian und legte seiner Schwester die Hand auf den nackten Oberschenkel. Ich stutzte, aber dann sagte ich mir, dass das doch normal ist, sie kennen sich immerhin seit ihrer Geburt.
    »Nein«, sagte Tammy zu ihm, »du hast es überlegt, ich nicht.«
    Julian lachte, zog seine Hand weg und trank einen ordentlichen Schluck aus der Dose.
    »Warum nicht, wär sicher ganz witzig«, sagte ich und dachte dabei jedoch nur an ihn und mich, wie wir ungestörte, nie endende Tage hier verlebten …
    »Witzig? Hier hast du noch nicht mal Handyempfang«, sagte Tammy ein bisschen zu ruppig.
    »Wirklich?« Claas reckte sich. Die Schweißflecken unter seinen Achseln waren auf dem blauen Polo erschreckend groß geworden. Und ich schämte mich – schon wieder. Nicht wegen ihm. Sondern für mich. Weil ich geglaubt hatte, ich könnte froh sein, dass sich jemand wie Claas für mich interessierte. Ich hatte mich zu schnell zufriedengegeben, wurde mir klar, nur weil ich wie andere sein wollte, weil es rein vom Verstand her nicht viel gegen Claas einzuwenden gab und weil es normal ist, einen Freund zu haben, nein, nicht nur normal, weil man einen haben muss, sonst zählt man nicht, sonst gehört man nicht dazu, sonst kann man nicht mitreden, sonst geht man allein auf die Partys – oder wird gar nicht erst eingeladen.
    »Und Fernsehempfang haben wir auch nicht«, sagte da Tammy. Ich hatte aufgehört, der Unterhaltung zu folgen.
    »Eigentlich sollte schon längst jemand kommen«, erklärte Julian, »um die Satellitenschüssel neu auszurichten, ist beim letzten Frühjahrssturm wohl fast vom Dach geflogen, aber«, er machte eine wegwerfende Handbewegung und Tammy beendete den Satz: »... diese Handwerker haben immer eine Ausrede.«
    »Wir können das morgen machen«, sagte Claas großspurig an sie gewandt. »Ich krieg das hin.« Ich wusste gar nicht, dass er technisch begabt war.
    »Internet gibt’s natürlich auch nicht«, redete Tammy weiter, ohne auf sein Angebot einzugehen.
    »Hm, klingt nach spannenden Abenden, oder, Mel?«, meinte Claas mit einem schiefen Grinsen.
    »Na ja.« Ich warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Seit wir dieses Grundstück betreten und ich Julian begegnet war, war mir allein die Vorstellung, Claas anzufassen, unangenehm.
    Claas beanspruchte die ganze Couch, hatte die Beine breit gespreizt und beide Arme über die Rückenlehne gelegt. Seine Schweißflecken waren nicht zu übersehen.
    Ich sah zu Julian hinüber. Er saß genauso da. Aber bei ihm sah es alles andere als lächerlich aus. Meine Fantasie ging mit mir durch und ich saß neben ihm, unter seinem Arm, wie unter einem ausgestreckten Flügel.
    »Wir fahren manchmal runter in den Ort, da gibt’s ’nen Club …«, sagte Tammy. Sie hatte ihre nackten Beine untergeschlagen und drehte gedankenverloren eine Haarsträhne zwischen ihren schlanken, gebräunten Fingern.
    »Ist nicht gerade die beste Location«, redete Julian weiter, »aber hier …«
    »... gibt’s nichts anderes«, beendete Tammy mit einem leisen Seufzer den Satz. Claas grinste sie an.
    Toll, dachte ich, dein Freund verguckt sich gleich nach einer Stunde in eine andere. Aber ich selbst war ja auch nicht besser!
    Wie es an dem Tag weiterging?
    Wir hörten Techno aus Julians Block Rocker, rauchten Shisha und stiegen irgendwann auf Gras um.
    Ich legte den Kopf zurück auf die Rückenlehne und betrachtete den tiefblauen Nachmittagshimmel, an dem weiße Wölkchen klebten wie weiße Watte. So banal und doch so schön. Vor mir glitzerte noch blauer der Pool und die weißen Liegen warteten nur darauf, dass ich mich dort ausstreckte. Julian lächelte mich an. Für einen Moment schloss ich die Augen. Ich sollte das alles hier einfach für die paar Tage genießen – und mich nicht kopflos verknallen. Und Claas sollte mir egal sein.
    Verlieben – und dann ausgerechnet in so einen Typen wie Julian! Eitel und viel zu anspruchsvoll.
    Als ich die Augen wieder öffnete, glaubte ich,

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