Wenn es Nacht wird in Manhattan
zwar mit dir. Als wir zu dieser Premiere nach New York gefahren sind.”
“Sie hat gesagt, du könntest jederzeit wiederkommen”, sagte Judd mit einem verschmitzten Grinsen. Mit “sie” meinte er Tippy Moore, die vom Model zur Schauspielerin aufgestiegen war – die neue Cameron Diaz sozusagen.
Cash sträubte sich innerlich gegen den Trip, obwohl er den Gedanken an das Model nicht mehr losgeworden war, nachdem er erkannt hatte, dass sie nicht der eitle, Männer verschlingende Vamp war, für den er sie zunächst gehalten hatte. Ihre Schutzbedürftigkeit hatte ihn tiefer berührt, als ihr Flirten ihn beeindruckt hatte.
“Ich könnte sie ja anrufen und fragen, ob sie die Einladung ernst gemeint hat”, überlegte er.
“Braver Junge”, meinte Judd und klopfte ihm auf die Schulter. “Nimm dir die nächste Woche frei, und ich setze mich dann an deinen Schreibtisch und bin der Boss.”
Cash wurde misstrauisch. “Das hat doch nicht etwa was mit dem Streifenwagen zu tun, den du mir die ganze Zeit einzureden versuchst? Nächste Woche gibt’s eine Versammlung im Stadtrat …”
“Das Thema werden sie bis nach den Ferien verschieben”, versicherte Judd ihm. “Außerdem würde ich den Stadtrat nie zu einem Streifenwagen überreden, den du eigentlich gar nicht willst. Ehrlich.”
Cash traute seinem breiten Lächeln nicht. Judd war genau wie er. Er lächelte nur dann, wenn er etwas erreichen wollte oder bei bester Laune war.
“Ganz zu schweigen davon, eine neue Sekretärin einzustellen”, fügte Judd hinzu, ohne Cash anzusehen.
“Ach, so ist das also”, reagierte Cash prompt. “Daher weht der Wind. Du denkst an jemand bestimmten. Wahrscheinlich willst du mir einen pensionierten weiblichen Oberst von der Armee oder sonst eine Verschwörungstheoretikerin vor die Nase setzen – genau so eine wie die Sekretärin, die wir hatten, als Chet Blake der Boss war?”
“Ich kenne keine arbeitslosen weiblichen Obersten”, antwortete Judd mit Unschuldsmiene.
“Oder Ex-Obersten?”
Er zuckte mit den Schultern. “Na ja, vielleicht eine oder zwei. Eb Scott hat eine Cousine …”
“Nein!”
“Du kennst sie doch gar nicht …”
“Ich will sie auch gar nicht kennenlernen. Ich bin der Boss. Siehst du das hier?” Er deutete auf sein Abzeichen. “Ich kämpfe gegen Kriminelle und nicht gegen alte Frauen.”
“Sie ist nicht alt. Jedenfalls nicht wirklich.”
“Wenn du jemanden während meiner Abwesenheit einstellst, werde ich sie in dem Moment feuern, sobald das Flugzeug gelandet ist. Ach was, ich werde die Stadt überhaupt nicht verlassen”, drohte Cash.
Judd zuckte mit den Schultern. “Wie du willst.” Geflissentlich betrachtete er seine sauberen Fingernägel. “Ich habe gehört, dass die Schwester des Leiters vom Bauamt es mal mit dir versuchen möchte. Möglicherweise bittet sie den Bürgermeister um eine Empfehlung.”
Cash hatte das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Die Lieblingsschwester des Amtsleiters, der ein reizender und sehr vornehmer Mann war, hatte ebenfalls ein Auge auf Cash geworfen. Sie war sechsunddreißig, zweimal geschieden, trug transparente Blusen und wog achtzig Pfund zu viel. Der Amtsleiter war ganz vernarrt in sie. Hinzu kam, dass er der beste Zahnarzt weit und breit war. Selbst ein ehemaliger Agent einer Spezialeinheit wie Cash würde einem solchen Druck in einer kleinen Stadt nicht standhalten können.
“Wann will der Colonel anfangen?”, presste er durch zusammengekniffene Lippen hervor.
Judd brach in schallendes Gelächter aus. “Ich kenne keine Colonels, die für dich arbeiten wollen, aber ich halte die Augen offen …” Im letzten Moment wich er einem Boxhieb aus. “He, ich bin Polizeibeamter. Wenn du mich schlägst, ist das bereits eine Straftat.”
“Ganz und gar nicht”, knurrte Cash, während er zu seinem Büro zurückging. “Bloß Selbstverteidigung.”
“Meine Anwälte werden sich mit dir in Verbindung setzen”, rief Judd ihm hinterher.
Ohne sich umzudrehen, machte Cash eine obszöne Geste in seine Richtung.
Doch als er wieder in seinem Büro war – der Papierkorb war inzwischen geleert und der Boden sauber gewischt worden –, dachte er über Judds Worte nach. Vielleicht war er in letzter Zeit wirklich etwas empfindlich. Ein paar Tage Urlaub, und er wäre vielleicht weniger … reizbar. Die Zwillinge von Judd und Crissy machten ihm nur allzu schmerzhaft deutlich, wie das Leben aussehen könnte, das es für ihn nicht mehr gab.
Außerdem
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