Wenn es plötzlich Liebe ist
Hand zu nehmen. Nur weil sie gestern Abend nachgegeben hatte, war dieser arme Mann jetzt von Gott weiß woher gekommen, um seine Zeit zu verschwenden. Diese Art Hilfe brauchte sie nicht. Und sie würde es weder Nick Farrells einnehmender Sorge noch der gedämpfteren Version ihrer alten Freundin überlassen, ob sie einen Leibwächter einstellte oder nicht.
Sie schnitt ein Gesicht. Was den Mann betraf, der in der Hoffnung auf einen Job hier erschienen war, würde sie sich sofort entschuldigen und ihm sagen, es sei ein Versehen gewesen. Sie würde ihm natürlich seine Kosten ersetzen. - Ja, genau, das war der richtige Weg.
Grace hob den Kopf und hielt den Atem an. Sie musste zweimal zwinkern, um sicher zu sein, dass sie nicht träumte.
»Du bist das«, flüsterte sie dann, als sie in die markanten Züge des Mannes starrte, der sie geküsst hatte.
Ihr Herz schlug wie rasend.
Was machte er hier? War er ein …
Aber natürlich, er hatte den Botschafter beschützt. Daher war er auf dem Ball erschienen. Daher hatte er sich von allen anwesenden Männern so abgehoben, hatte einfach härter, zäher, anders gewirkt.
Schade nur, dass er nicht für Cuppie abgestellt worden war.
Sie schluckte trotz ihrer zugeschnürten Kehle. Er war genau so, wie sie ihn in Erinnerung hatte: beeindruckend und kälter als Eis. Sein Gesicht durchzogen tiefe Furchen, die in der kräftigen Kinnpartie endeten und bei der Nase, die aussah, als wäre sie mindestens einmal gebrochen worden. Seine Haare waren so kurz gehalten wie beim Militär, die Augen durchdringend und blau. Heute trug er eine schwarze Lederjacke und abgetragene Jeans, aber er sah ebenso überlegen aus wie in dem Smoking.
Sie erinnerte sich bei seinem Anblick genau daran, wie sie sich bei seinem Kuss gefühlt hatte, hatte aber keine Ahnung, was er in diesem Moment dachte. Er verriet nicht die geringste Emotion. Seine Miene zeigte weder Schock noch Überraschung, nicht einmal Neugier. Sein verhüllter Blick verriet nichts anderes als seine Intelligenz und eine stumme, unterschwellige Drohung.
»Ihr kennt euch?«, fragte Nick.
Als der Mann keine Erklärung von sich gab, murmelte Grace: »Wir sind uns … auf einer Party begegnet. Vor Kurzem.«
Nick zog eine Braue hoch, als Grace vortrat und eine Hand ausstreckte. Sie hatte Angst, John Smith zu nahe zu
kommen, Angst, dass sich zwischen ihnen etwas ereignen würde, was sich in ihrem Gesicht widerspiegelte.
»Nett, Sie wiederzusehen.«
Sobald er ihre Hand ergriffen hatte, spürte sie es wieder wie einen elektrischen Schlag. Das Gefühl lief an ihrem Arm hoch bis in den Brustkorb. Sie trat abrupt zurück.
Genau wie beim ersten Mal, als sie seine Hand berührt hatte.
»Möchtest du, dass wir bleiben?«, fragte Carter, »während ihr euch unterhaltet?«
Grace schüttelte den Kopf, und die beiden verließen den Raum. Sie war mit ihm allein.
»Möchten Sie sich nicht setzen?«, forderte Grace ihn auf.
Leiser Spott zuckte in seinen Augen auf. Dann wählte er einen Sessel gegenüber dem Sofa und ließ sich darin nieder, Selbst im Sitzen wirkte er groß.
»Sie scheinen nicht überrascht, mich zu sehen.« Grace setzte sich aufs Sofa und schlug die Beine übereinander. Seine Augen folgten der Bewegung und blieben auf den Waden ruhen, ehe der Blick wieder zu ihrem Gesicht zurückkehrte.
»Ich lasse mich selten auf Situationen ein, in denen ich überrascht werden könnte.« Seine Stimme klang tief und rau und sehr selbstsicher.
Er war ganz Mann, dachte sie, mit dem entsprechenden Stolz, der Arroganz und einem Ego, das sich aus einem Testosteron-Überschuss ergibt. Natürlich sah er so hart aus wie Stahl, daher war das Selbstvertrauen auch gerechtfertigt. Sie würde ihn nicht gerne wütend erleben. Das war bereits einmal geschehen, und sie hatte davon nur Fantasien zurückbehalten, die sie lieber vergessen hätte.
»Reden wir darüber, warum ich heute hier bin.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei ging eine Ungeduld von ihm aus, die auch seine tiefe Stimme zeigte.
Grace’ Finger spielten mit dem schweren Verlobungsring, den sie nun wieder und wieder herumdrehte. Als seine scharfen Augen einen Moment lang dorthin zuckten, zwang sie sich, ganz still zu sitzen.
Sie müsste ihn jetzt eigentlich entlassen, wie sie sich vorgenommen hatte und was sie auch getan hätte, wenn ein völlig Fremder vor ihr gesessen hätte.
Aber er war ja ein Fremder, rief sie sich in Erinnerung.
»Ich fürchte, Sie verschwenden Ihre Zeit.«
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