Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
deines Lebens.«
Schwester Regina legte für mich das Datum fest, an dem ich nach Melbourne kommen sollte, um dem Orden beizutreten - den 6. Januar 1973.
Meine Mutter konnte meine Entscheidung nicht begreifen und versuchte, als wir von diesem Treffen nach Hause fuhren, vernünftig mit mir darüber zu reden. »Du könntest viel nützlicher sein, wenn du erst eine Ausbildung als Ärztin oder Krankenschwester machst, und wenn du dann austreten solltest, hättest du wenigstens etwas, worauf du zurückgreifen kannst.« Ich weigerte mich zuzuhören. Ich musste so bald wie möglich beitreten. Das war es, was ich tun wollte.
Meine Freundinnen konnten es nicht fassen, dass ich die Chance ausschlug, Medizin zu studieren. Wir hatten geplant, alle zusammen auf die Universität in Sydney zu gehen, wenn wir das Glück hatten, Stipendien zu bekommen.
Meine Lehrer und der Rest meiner Familie hielten meine Entscheidung für töricht. Sie fanden, dass Mutter Teresas Schwestern schlecht ausgebildet waren und untergeordnete Arbeit verrichteten.
»Du wirfst dein Leben weg«, warf Onkel John mir vor.
»Das sagst du aber über Toby nicht«, erwiderte ich.
»Das ist was anderes. Er ist Priester in einem richtigen Orden. Du wirst als jedermanns Fußabtreter enden.«
Je mehr Gegenwind ich bekam, umso entschlossener wurde ich.
Wie immer zur Weihnachtszeit kam Toby zu uns und brachte über die Feiertage einige seiner Schüler mit, darunter auch Paul, der in meinem Alter war und ein Freund der Familie geworden war. Wir unternahmen gemeinsame Ausfüge in den Busch, und ich erzählte ihm, dass ich mich Mutter Teresa anschließen wollte. Er sagte nicht viel und verschwieg mir auch, dass er ebenfalls vorhatte, zu den Franziskanern zu gehen, was er ein paar Monate später auch tat. Vielleicht stand sein Entschluss damals noch nicht fest.
Schwester Regina hatte mir eine Liste von Dingen gegeben, die ich zum Eintritt in den Orden benötigte: drei Blusen mit Kragen, weiß oder blau mit kurzen Ärmeln, zwei blaue Strickjacken, ein Paar Gummilatschen, ein Paar Winterschuhe, drei Röcke, drei Garnituren Unterwäsche
und Socken. Außerdem benötigte ich zwei Bücher: die Bibel und Die Nachfolge Christi von Thomas a Kempis, einem Mönch des vierzehnten Jahrhunderts. In diesem Band fanden sich einprägsame Kapitelüberschriften wie » Wir sollen uns selbst verleugnen« und »Wandle vor Gott in Wahrheit und Demut «. Toby meinte, es stehe für eine altmodische Form der Spiritualität. »Warum wartest du nicht noch eine Weile, Colette? Geh auf die Universität. Lerne erst das Leben ein wenig kennen und entscheide dich dann.« Ich war enttäuscht. »Ich dachte, dass wenigstens du mich verstehst, Toby. Ich bin mir sicher, dass ich damit Gottes Ruf nachkomme. Mein Herz schlägt nicht mehr für die Medizin.«
2
Noviziat
»Mit deinem Hab und Gut hilf den Armen und wende dich auch nicht von einem einzigen ab, dann wird sich das Angesicht des Herrn auch von dir nicht abwenden.«
(Das Buch Tobias 4,7)
Ich umarmte Mama, Judy, Tony und Rod am Bahnsteig des Bahnhofs von Moss Vale. Ein Pfiff ertönte, und der Zugbegleiter senkte seine Fahne, als ich mit meiner kleinen Tasche einstieg. Ich konnte Mama weinen sehen, während ich durchs Fenster winkte. Sie hielt ein kurzes Stück weit Schritt mit dem Zug, dann verschwand sie aus meinem Blickfeld. Ich war jung und naiv und hatte, weil ich geschützt von den Zwängen des Katholizismus und den Werten einer konservativen Stadt auf dem Lande aufgewachsen war, kaum Lebenserfahrung.
Der Zug kam mit Verspätung in der Spencer Street Station in Melbourne an. Ich hatte nicht viel geschlafen, weil ich vor Aufregung und Vorfreude hellwach war. Zum Glück hatte ich Schwester Regina bereits kennengelernt, sodass ich mich nicht einer vollkommen neuen Situation stellen musste. Zwei Schwestern, in ihren weißen Saris mit den blauen Borten nicht zu übersehen, kamen, um
mich abzuholen. Schwester Regina erkannte mich sofort. »Willkommen, Colette. Das ist Schwester Augustine, unsere Oberin in Melbourne.«
Wir fuhren zu einem einstöckigen weißen Haus, das als Ausbildungszentrum oder Noviziat für die Missionarinnen der Nächstenliebe in Australien diente. Eingebettet in die Häuserreihen von George Street, Fitzroy, einem Arbeitervorort von Melbourne, lag es direkt neben der Federal Trolley and Truck Company. Jenseits der Straße fertigte eine andere Fabrik Kartonagen und Papier. Ich folgte Schwester Regina durchs
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