Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
sodass ich die Arbeit viel leichter fand als im Jahr zuvor. Wir hatten es mit allen gängigen Erkrankungen zu tun - Brust-und Hautinfektionen, TB, Malaria, Knochenbrüche und Schnittwunden -, unterhielten außerdem eine Sprechstunde für Schwangere, gaben an Frauen Nahrungsergänzungsmittel aus, nahmen Immunisierungen vor und verteilten Utensilien für eine sichere Geburt. Die Klinik der Schwestern
kümmerte sich um sämtliche Tuberkulosepatienten der Gegend und gehörte einem Programm für ganz Osttimor an, das von der katholischen Hilfsorganisation Caritas finanziert wurde. Die Schwestern hatten ein System entwickelt, das die sechs- bis achtmonatige Tuberkulosebehandlung in den Dörfern überwachte. Ohne diese Freiwilligen, welche die Einnahme der Medikamente kontrollierten, wären alle Patienten gezwungen gewesen, in Aileu zu wohnen, da eine Unterbrechung der Einnahme von TB-Medikamenten eine resistente, nicht mehr behandelbare TB zur Folge hat.
Oftmals wurde ich von Leuten in der Nacht oder an Wochenenden gerufen. Die Klinik von OIKOS war vom staatlichen Gesundheitsdienst übernommen worden und nach einiger Zeit mit einem kenianischen und dann mit einem brasilianischen Arzt besetzt worden, aber es war nicht möglich, sich den Notdienst zu teilen, und die Ärzte waren an den Wochenenden oft gar nicht da.
Eines Nachts saß ich mit Rosa, die in einem kritischen Zustand war, im Fond eines Kleintransporters und fuhr auf dem schnellsten Weg nach Dili. Ihr Ungeborenes war tot und saß in ihr fest. Ich hatte sie an den Tropf gehängt, weil sie unter Schock stand, niedrigen Blutdruck hatte und kein Wasser lassen konnte. Ihr Ehemann Clementino erbrach sich seitlich aus dem Laster. Ich hatte sie mit einer Plane zugedeckt, aber es war dennoch bitterkalt. Ich blickte hoch zum majestätischen Sternenzelt, wo das Kreuz des Südens so strahlend leuchtete wie im Outback. Bist du dort?, fragte ich mich. Kümmert dich unser verzweifelter Kampf ums Überleben? Rosa wurde wiederbelebt und mit einem Kaiserschnitt
von ihrem toten Baby entbunden. Sie bekam später ein gesundes Baby.
Am späten Morgen des 12. September kam Schwester Dorothy, eine New Yorkerin, mit ihrem Radio zur Klinik. Ihr Gesicht spiegelte traurige Bestürzung. Wir hatten nach der morgendlichen Visite und Essensverteilung gerade sauber gemacht und versammelten uns um sie und ihr knackendes Radio, um zu erfahren, dass Flugzeuge ins World Trade Center und das Pentagon gefogen waren, es viele Tote gab, aber keiner wusste genau, warum. Schwester Dorothys Bruder war gerade erst als Hauptmann der New Yorker Feuerwehr in den Ruhestand getreten, und sie wusste, dass einige seiner Männer umgekommen waren. Die Nachrichten versetzten die Schwestern, darunter drei Amerikanerinnen, in tiefe Trauer, die auch von uns anderen geteilt wurde.
Wenige Tage später erhielt ich durch die UN die Nachricht, zu Hause anzurufen. Ich fuhr hinauf zum »Telefonhügel« und rief Mama an. Mein Onkel Toby war überraschend in Singapur gestorben, und meine Familie hatte versucht, mich zu erreichen. Mama war verzweifelt, denn Toby war der jüngste und kräftigste unter den vier Geschwistern und war uns sehr nahe. Es war jedoch unmöglich, einen Flug nach Hause zu bekommen. »Ich verstehe ja, dass du wahrscheinlich nicht kommen kannst, aber wenn doch …«, bat sie. Ich wollte nur allzu gern bei ihr sein, denn als Großmama starb, war ich auch nicht bei ihr gewesen.
»Ich werde versuchen zu kommen, Mama, aber ich weiß noch nicht, wie.«
Ich fuhr nach Dili, hielt meinen Reisepass bereit und hoffte auf den ersten möglichen Flug nach Darwin, aber von dort gab es keine Anschlussfüge nach Sydney. Schließlich bekam ich einen Platz von Dili nach Denpasar und dann nach Sydney, aber ich hatte zu wenig Geld dabei. Der Inhaber des Reisebüros, der die Schwestern kannte, vertraute mir jedoch, und ich konnte fliegen.
In Sydney stellten sich die Beamten der Einwanderungsbehörde quer, indem sie meinen Pass einzogen, weil dieser in Katherine während der Überschwemmung leicht beschädigt worden und die Fotoseite leicht gebogen war. Bei meiner Abreise Anfang des Jahres hatte niemand was zu beanstanden gehabt, aber jetzt galten erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Ohne Schlaf und voller Anspannung schaffte ich es, eine Stunde vor dem Begräbnis zu Hause zu sein, das in der Mary Immaculate Church in Waverley stattfand, wo Mama geheiratet hatte und Toby geweiht worden war.
Rod holte mich vom Flughafen ab, und
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