Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Zeit luden die Schwestern mich ein, mit ihnen nach Suai zu fahren, in den Südwesten von Osttimor. Ich nahm mir für ein paar Tage frei und brach mit ihnen zu der langen Reise über die Berge und über die fache trockene Küstenebene im Süden auf. Bischof Belo leitete eine Zeremonie zur Erinnerung an die dortigen Massaker. Die Milizen hatten viele Menschen getötet, darunter auch drei Priester, und sie in der Kirche verbrannt. Zu meiner großen Überraschung traf ich Teresa Osland wieder, die mit mir in Beswick nach der Überschwemmung von Katherine zusammengearbeitet hatte und nun für Oxfam als Entwicklungshelferin arbeitete. Da unsere geplante Unterkunft sich als Schlag ins Wasser erwies, landeten wir bei ihr im Haus.
Vor der Kirche in Suai lag ein Kreis aus Steinen, von denen jeder einen Namen und manchmal auch ein Foto eines der etwa hundertsiebzig Menschen trug, die zu Tode geprügelt oder verbrannt worden waren. Die trauernden Familien beteten die ganze Nacht hindurch und brachten Blumenkränze und tais an den Altar, mit denen man die Toten umhüllt hätte, wenn ihnen eine angemessene Bestattung zugebilligt worden wäre. Die Verwandten klagten und beteten um den Steinkreis, der von Hunderten von Kerzen erstrahlte. Am nächsten Tag nahmen Tausende an der Totenmesse teil. Sargträger trugen ein tabernakelartiges Gebilde mit den Namen der Toten in einer Prozession
von der Kirche, wo sie gestorben waren, hinaus zum Altar im Freien.
Zwei Tage später kehrte ich in die Klinik zurück und bekam großartige Hilfe von Sara, einer jungen Highschool-Absolventin, die meine Dolmetscherin und Tetun-Lehrerin wurde. Sie wohnte bei mir und half mir, die Kultur zu verstehen. »Wie war das letzten September in Dili?«, fragte ich sie.
»Es war wirklich entsetzlich«, erwiderte sie. »Überall brannte es. Keiner lächelte. Überall Rauch, Gewehrfeuer, Explosionen und Schreie. Wir konnten nicht schlafen. Die Leute rannten wild durcheinander. Eltern und Kinder wurden voneinander getrennt. Ich schlief bei meinen Freunden unter dem Bett im Haus der Christlichen Brüder. Die Milizen bedrohten die Leute mit Waffen und drangen gewaltsam in Häuser ein. Einige von ihnen waren vom indonesischen Militär, andere hatten die indonesische Flagge um ihren Kopf geschlungen. Ich sah die Milizen hinter meinem Haus. Sie schlugen an die Türen meiner Nachbarn, warfen mit Kerosinbomben, trennten die Stromleitungen durch und benutzten Granaten, um die Häuser zu zerstören. Ich verlor jegliche Hoffnung. Die Militärs suchten nach meinem Vater, um ihn umzubringen, weil er für die Unabhängigkeit war. Wir befanden uns in einer sehr gefährlichen Situation und fühlten uns dem Tode nah.«
Sara gehörte zu einer Gruppe, die zusammen mit Bruder Dan aus Australien und Vater Peter aus Indien nach Westtimor geflohen war. Dreiundzwanzig Menschen hatten sich in ein Allradfahrzeug gequetscht und den Milizen und den Straßensperren der Militärs getrotzt.
»Wir saßen sehr beengt in dem Wagen, und als wir nach drei Uhr morgens in Kupang ankamen, waren meine Beine taub, und ich konnte kaum mehr laufen«, erläuterte sie. »Unsere Rückkehr nach Osttimor fand unter großen Schwierigkeiten statt. Tausende Menschen waren dort. Es ging zu wie auf einem Markt. Wir mussten drängeln, um die Papiere zu bekommen. Wir warteten ohne Wasser in der Sonne. Bruder Dan hatte mir Geld gegeben, das ich sehr umsichtig für Essen und Wasser ausgab. Die Menschen verrichteten ihre Notdurft, wo sie gerade waren, und wir konnten nicht schlafen. Wir gingen nachts auf die Toilette. - Es war einfach nur schrecklich. Viele Menschen starben. Ich war traurig und weinte die ganze Zeit.«
Sara wurde in der Nähe von bewaffneten Soldaten jedes Mal sehr nervös und hatte Probleme beim Passieren der Kontrollpunkte. Zwei ihrer Verwandten in Dili waren umgekommen, und ihr Großvater war heftig geschlagen worden. »Wie geht es dir jetzt?«, fragte ich.
»Mir geht es gut. Manchmal bekomme ich noch Angst, vor allem wenn ich die Gesichter der Falintil und die Waffen sehe. In Aileu versuche ich, mich langsam an die Waffen zu gewöhnen. Aus Erfahrung weiß ich, was Leiden bedeutet, und ich denke jetzt mehr über mein Leben und meine Situation nach. Auch wenn es eine schmerzliche Erfahrung war, denke ich, dass ich doch auch viel daraus gelernt habe. Ich bin ernsthafter geworden. Ich weiß, wie Menschen sich fühlen, die keine Eltern mehr haben und um Essen und Kleidung betteln müssen. Wenn
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