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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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eine Gottheit, dann zumindest an Fakten und Ideen. Ich fürchte, dass durch die Niederlage des despotischen Deismus ein chaotischer, egozentrischer Materialismus freigesetzt wird. Im Schlamm religiöser Scheinheiligkeit und Intoleranz sind Goldstücke begraben, aus denen sich Refexionen und Erfahrungen von Tausenden von Jahren herauslesen lassen. Wir verzichten auf diese Einsichten auf eigene Gefahr. Das Glück lässt sich nicht so einfach packen - es muss erst in Liebe, Dienst und Mitgefühl gesteckt werden, ehe es wahrhaft erworben werden kann.
    Zwanzig Jahre lang hatte ich so weitergemacht wie in meiner Ordenszeit und niemals irgendwo dazugehört. Die Überzeugungen, die mein Leben gestützt hatten, waren weggebrochen. Ich war an einem einsamen Ort gestrandet und suchte noch immer nach einem Ausweg. Eins weiß
ich aber mit Gewissheit, dass die Kluft zwischen den Reichen und den Armen ein kritisches Problem für unsere Welt darstellt. Extreme Armut ist der Feind des Friedens. Wir vergeuden mehr, als wir geben. Der Reichtum, der uns zufließt, verseucht, wenn wir ihn nicht kontrollieren, die Welt und wird uns zerstören.
    Vor langer Zeit schon ermahnten die Propheten die Reichen: »Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn und entzieh dich nicht von deinem Fleisch und Blut. Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte … und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.« (Jesaja 58, 7-8,10)
    Selbst heute haben wir diese Lektion noch immer nicht gelernt. Es klingt so einfach: »Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben …« (Matthäus 25,35) - aber es kann auch zu Problemen führen, wie eine durch Hilfe bedingte Abhängigkeit und Bevormundung. Ich weiß, dass die elf Jahre, in denen ich mich bemüht habe, nichts weiter als ein Tropfen waren, der im Ozean der Not verschwand, ohne die Oberfläche zu kräuseln. Und auch nachdem ich die MNs verlassen hatte, war es mir schwergefallen, eine Balance zwischen Geben und Nehmen zu finden, zwischen den Bedürfnissen der anderen und meinen eigenen. Das Friedensgebet des heiligen Franziskus, das ich als MN immer wieder aufgesagt habe, fordert uns auf, eher zu lieben, anstatt geliebt zu werden, eher zu geben, anstatt zu bekommen. Ich fühlte mich schuldig, dass ich meine Liebe wenigstens manchmal erwidert haben wollte. Und ich stellte mir die Frage, ob es ethisch vertretbar
war, mich in den Ferien oder bei einer Reise nach Übersee zu vergnügen, während andere Hunger litten. Wenn ich diese Gedanken unterdrückte, lief ich Gefahr, ins andere Extrem zu verfallen und mich von den Armen ganz abzuwenden.
    Ohne den Glauben an ein Leben nach dem Tod wird die Suche nach einer gerechten Welt umso dringlicher. Die Aufgabe, die wir einst Gott übertragen haben, wird nun zu unserer. Anstatt für die Hungrigen und für den Frieden zu beten, muss jeder von uns sich entscheiden, was er tun kann, um die Probleme von Hunger und Krieg anzugehen. Wie Mahatma Gandhi sagte: »Sei du die Veränderung, die du in der Welt zu sehen wünscht.« Der Himmel ist eine heimtückische Idee, die den Tod für die Politiker und Generäle, die die Armeen dieser Welt befehligen, akzeptabler macht und für die Selbstmordbomber, die sich und andere töten in der Hoffnung, ins Paradies zu kommen.
    Ich habe meinen Pazifismus revidiert, der auf der Ermahnung der Evangelien beruhte, seine Feinde zu lieben, und kam zu dem Schluss, dass die Menschen Gewalt anwenden müssen, um sich vor völkermörderischer Wut zu schützen. Wie können wir angesichts des Holocaust, von Ruanda oder Pol Pot passiv bleiben? Wieso sollten die Timorer nicht auf den Tod Zehntausender während der indonesischen Besatzungszeit reagieren? Das Dilemma war nur, wie man auf das Böse reagieren soll, ohne selbst böse zu werden.
    Sinn finde ich nun in der Schönheit und in der Freundschaft, aber ich weiß, dass diese so kurzlebig sind wie ich selbst. Wahrhaftig und mitfühlend zu leben, lautet das Credo
meines spirituellen Agnostizismus. Ohne die Hoffnung, die sich auf ein Leben nach dem Tod gründet, bleiben einem als einzige Mittel für den Umgang mit dem ultimativen menschlichen Mysterium von Leid und Tod Stoizismus, Courage und Mitgefühl. Unsere Zivilisation muss sich als Erste mit dem Leben und dem Tod ohne religiöse Überzeugungen und Zeremonien auseinandersetzen. Obwohl der religiöse Glaube in unserer Gesellschaft noch immer eine

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