Wenn ich einen Wunsch frei haette
Lehrerin nach Jad Vashem gekommen. Hier wird an die Juden erinnert, die während des Holocaust ums Leben kamen. Wir haben schon alle Gebäude besichtigt und sind jetzt gerade im Historischen Museum. Danach ist unser Besuch beendet. Im Erdgeschoss ist in Glaskästen Spielzeug von den Kindern aus den
Konzentrationslagern
ausgestellt – Puppen aus Stroh und so was. Als ich das sah, habe ich überlegt, womit ich wohl gespielt hätte, wenn ich in einem Lager gewesen wäre.
Hier ist es wie in einem Park. Pfade führen zwischen den Bäumen hindurch von einem Haus zum anderen. Jedes Gebäude steht für eine andere Art des Gedenkens. Die Halle der Erinnerung ist ein großer Raum mit einem Feuer in der Mitte, das die ganze Zeit brennt. Auf dem Fußboden rund um dieses Feuer stehen die Namen der Lager, in denen Juden umkamen. In der Halle der Namen sind die Menschen aufgelistet, die getötet wurden.
Da steht auch ein alter Eisenbahnwaggon. So einer, wie man sie früher verwendet hat, um Vieh zum Schlachthof zu |18| transportieren. Mit dem hier wurden aber die Juden in die Lager gebracht. Er steht auf einer Eisenbahnbrücke, aber die Brücke endet plötzlich, und der Waggon steht direkt an der Kante, an der es nicht weitergeht.
Ich fühle mich hier sehr jüdisch, so als wäre ich mit all diesen Menschen verbunden, obwohl ich ein ganz anderes Leben führe als sie. Jetzt verstehe ich ein bisschen besser, warum meine Eltern hierher ziehen wollten.
Das Denkmal für die Kinder war das Schlimmste. Wenn man da reinkommt, ist es so, wie wenn man eine Höhle betritt. Zuerst ist alles dunkel und still da drinnen. Man folgt einem Weg und hält sich dabei an Seilen fest, bis allmählich die Lichter sichtbar werden.
Überall sind kleine Kerzen angezündet. Sie werden wieder und wieder von Spiegeln reflektiert, und es sieht aus, als wären da unendlich viele kleine Lichter. Die Kerzen stehen für die jüdischen Kinder, die von den Nazis umgebracht wurden. Sie funkeln wie Sterne. Darüber liest eine Stimme über Lautsprecher leise die Namen und das Alter der ermordeten Kinder vor. Ich kann jetzt nicht weiter darüber reden, sonst muss ich weinen.
Schon bevor wir nach Israel zogen, hörten wir von dem Krieg hier. Wir wussten, dass es gefährlich ist, aber wir wollten trotzdem kommen. Bald werde ich israelischer Staatsbürger sein und deshalb werde ich auch zur Armee gehen. Der Gedanke, dass ich mal Soldat sein werde, macht mir ein bisschen Angst. Im Fernsehen sehen wir ja, in was für schrecklich gefährliche Situationen die Soldaten manchmal geraten. Es ist schlimm, was Menschen sich gegenseitig |19| antun können. Wenn ich fertig bin mit dem Militär, möchte ich Tierarzt werden oder Zauberer.
Aus den Nachrichten weiß ich ein bisschen was über die Palästinenser. Sie scheinen uns alle zu hassen, aber ich weiß nicht wieso. Ich bin noch nie einem begegnet. Wir können uns auch gar nicht begegnen. Wir sind getrennte Völker.
Meine Lehrerin sagt, vor zwei Jahren gab es noch viele palästinensische Schüler in Israel. Sie sagt, es war gut, als Juden und Palästinenser sich treffen und sich gegenseitig ein bisschen kennenlernen konnten, um die Angst voreinander zu verlieren. Aber jetzt kommen sie nicht mehr auf israelisches Gebiet. Inzwischen ist es zu gefährlich für sie. Die Juden würden sie für Terroristen halten, und ihr eigenes Volk würde denken, sie wären Verräter. Also bleiben sie unter sich und wir unter uns.
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Nora, 12
N ora ist Schülerin am Princess Basma Rehabilitation Centre for Disabled Children. In dieser Einrichtung werden nicht nur die Behinderungen der Kinder therapiert, sie gehen dort auch gleichzeitig zur Schule. Sie liegt oben auf dem Ölberg, einem Berg mit Blick über die Altstadt von Jerusalem. In den Fluren und Klassenräumen des großen weißen Betongebäudes können sich die Kinder leicht auf Krücken und mit Rollstühlen bewegen. Die Kinder helfen einander auf dem Weg durch die Gänge oder hinaus auf den Schulhof. Sie schieben Rollstühle oder bieten ihren Mitschülern eine stärkere Schulter zum Aufstützen an.
Noras Klassenzimmer befindet sich am Fuß einer langen Rampe, die ins Untergeschoss führt.
I ch bin aus Beit Safafa, das liegt im Süden von Jerusalem, auf palästinensischem Gebiet. Ich bin eine Palästinenserin.
Ich habe drei Brüder, aber keine Schwester. Ich hätte gerne eine Schwester. Manchmal denke ich an all das, was wir dann machen oder worüber wir reden könnten.
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