Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
sind, tut es mir leid. Ich werde jedoch tun, was ich tun muss, damit das nicht noch mal passiert.“ Er erhob sich von der Bettkante und kehrte ihr den Rücken zu.
„Du … gehst?“, fragte sie laut. Ein neuer Schwall von Emotionen brach über sie herein. „Einfach so? Du kannst nicht … das kannst du nicht machen.“ Sie verschluckte sich fast, so schnell sprach sie. „Lass mich nicht allein mit dem, was ich fühle. Du bist derjenige, weswegen ich all das fühle. Und ich weiß, dass du auch etwas fühlst – fühlen musst!“
Er schwieg eine lange Zeit. „Ich kann nicht, Gwen … Ich kann nicht fühlen.
Ich kann es einfach nicht
.“ Er machte ein paar Schritte Richtung Zimmertür.
„Was soll das heißen?“
Er hielt inne und antwortete erst nach einer weiteren Weile. „Es heißt genau das. Aber, Gwen … ich habe nicht, ich wollte nicht …“ Sein Körper straffte sich. „Ich dachte, du wärst zu deinen Eltern geflüchtet. Ich dachte, deine Eltern wüssten, wo du bist. Ich wollte dich finden. Ich hatte nicht vor, jemandem etwas zu tun. Als dein Vater vor mir stand, als er gesagt hat, was er gesagt hat, ist alles hochgekommen. Alles. Von damals an, als sie dich von mir weggebracht haben. Ich wollte, dass er spürt, wie das für mich war. Ich wollte nur, dass er es weiß. Nichts weiter. Aber ich hatte es nicht unter Kontrolle. Es war zu viel für ihn. Es tut mir leid.“ Er griff nach dem Türgriff und verharrte in der Bewegung.
Tränen strömten über ihr Gesicht. Sie konnte kaum atmen oder etwas sehen. Er hatte etwas von dem, was passiert war, anerkannt – es aus dem Schatten geholt, in den er es gedrängt hatte. Er hatte die Wahrheit vergrößert – und auch, wenn das nichts veränderte, ihren Vater nicht wieder lebendig machte, so machte es doch einen Unterschied. Einen, der alles ließ, wie es war, und doch etwas an der Art und Weise veränderte, wie das Puzzle zusammengesetzt war. Ein Unterschied, der erst noch vollends von ihr aufgenommen werden musste. Und ein Unterschied, der einen panischen Gedanken offenbarte, der bisher nicht zu ihr hatte gelangen können. „Merkas! Was, wenn er das mit meiner Mutter macht? Mit Josh? Mit Kollegen aus dem Krankenhaus? Wenn er in ihre Träume … oh mein Gott, ich muss …“
„Er wird ihnen nichts tun“, erwiderte Nikolaj beschwichtigend, aber mit Nachdruck. „Außerdem wäre nicht mal gewiss, dass er es bei jedem von ihnen könnte. Aber er wird nichts in diese Richtung tun. Sie sind nicht wichtig für ihn. Er wird nicht mal auf die Idee kommen. Alles, was er will, sind du und ich.“
„Aber …“
Nikolaj drehte sich um. „Ich war da. Ich war bei ihm, nachdem ich dich durch das Portal auf den Spielplatz gestoßen habe. Er will uns. Nur uns. Auf direktem Wege. Jeder andere ist gänzlich uninteressant für ihn. Darauf gebe ich dir mein Wort.“ Ihre Augen flackerten einen Sekundenbruchteil und sein Gesicht verzog sich leicht, als ob er auf etwas Bitteres gebissen hätte. „Ich weiß, dass es keinen Grund gibt, warum mein Wort dir noch etwas bedeuten sollte. Aber … ich würde dich nie anlügen. Nie. Nicht nachdem ich weiß, für was du mich hältst, noch sonst irgendwann …“
Sie wollte den Grund offenbaren, der sie diese Worte hatte sagen lassen, doch sie brachte kein Wort hervor.
Er drückte die Klinke und eilte nach draußen.
***
„ Was ist passiert? Ist sie wach?“
„Ja, sie ist wach. Ich brauche frische Luft …“, entgegnete der Sensat knapp gefasst, schritt an ihnen vorbei und verschwand aus der Haustür.
Jonathan sah ihm mit offenem Mund nach. „Der hat sie wirklich nicht mehr alle …“ Marah kommentierte seine Aussage nicht – sie steuerte die Treppe an und lief nach oben. Er folgte ihrem Beispiel und hastete ihr hinterher.
Gwen sah aus, wie ein bleiches Häufchen Elend.
„Oh mein Gott …! Geht es dir gut?“ Marah stürmte an ihre Seite.
„Ich bin OK“, versicherte Gwen. „Jetzt, wo ich wach bin, kann mir nichts mehr passieren.“
Sie war hart im Nehmen. Doch sie gab sich äußerlich stärker, als sie in ihrem Inneren war, das war nicht zu leugnen. Jonathan konnte nicht anders, als sie dafür zu bewundern. Ebenso wenig, wie er den Drang sie zu beschützen, verdrängen konnte.
„Was genau ist passiert? Und: Wird es wieder passieren? Du musst doch schlafen! Warum ist das heute Nacht passiert und gestern nicht? Wie kann so etwas überhaupt passieren?“ Marah wirkte noch immer hysterisch und überdreht. Die paar
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