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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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hübsch anzusehen ist und ihre Vorzüge
nicht versteckt! Heutzutage ist beides nicht so selbstverständlich. Überall nur
Häßliches, Geschmackloses und Unerotisches.“
    Dacosta gibt keine Antwort. Tröstende
Worte dieser Art finden nicht seinen Beifall. Er schüttelt den Kopf, so als
wolle er in seinen Gedanken, die durcheinandergeraten sind, wieder Ordnung
schaffen.
    „Ich nehme das Foto mit“, entscheide
ich. „Ebenso die beiden Paßfotos und das mit dem Kostüm.“
    Er erhebt keinerlei Widerspruch.
    Danach beginne ich nun meinerseits,
die vollgestopfte Kommode zu untersuchen. Welch ein Durcheinander! Bücher, alte
Lippenstifte, Flakons, Pullover, billige Wäsche, zum Umfallen keusch. Nichts
für mich dabei. Um sicher zu gehen, ziehe ich die untere Schublade ganz heraus.
Es kommt nämlich sehr häufig vor, daß irgend etwas zwischen Schublade und
Schrankboden rutscht. Das ist auch hier der Fall, aber es handelt sich um
nichts Erhellendes: ein teures Paar Strümpfe, das noch in der
Zellophanverpackung steckt. Ein eleganter Klebezettel verrät, woher die
Luxusstrümpfe stammen: Mireille, Damenwäsche und Strümpfe, Rue Daranaud. Das hilft mir nicht weiter, antworte ich Dorville, der sich für meinen Fund
offenbar interessiert und mich gefragt hat, ob mir das weiterhelfen würde.
    Dacosta steht stumm dabei.
    Ich werfe die Strümpfe in die
Schublade und wende mich einem Kleiderschrank zu. Er enthält — wie erwartet —
Kleidungsstücke, zwei recht schäbige Kostüme, Größe 38, aber - ebenfalls wie
erwartet — nicht das Abendkleid, das Agnès auf dem Foto anhat.
    Mit einer Geste bedeute ich dem
geschätzten Publikum, daß der große Detektiv seine Nummer beendet hat. Wir
gehen wieder nach unten.
    Ich zünde mir meine Pfeife an und sehe
auf meine Armbanduhr. Ich habe keinen Grund, ewig hier zu bleiben.
    „Zeit für mich, zurück ins Hotel zu
fahren“, stelle ich fest.
    „Einen Moment noch“, bittet Dorville.
„Gib mir doch mal den Umschlag, Justinien.“
    Immer noch stumm, geht Dacosta zu
einem kleinen Schreibtisch und zieht einen festen Umschlag unter der
Schreibunterlage hervor. Er gibt ihn Dorville, Dorville gibt ihn mir.
    In einer männlichen Handschrift stehen
Dacostas Name und Adresse auf dem Umschlag. Der gut lesbare Poststempel gibt
an, daß der Brief in Saint-Jean-de-Jacou eingeworfen wurde, und zwar am 7. Mai
um 13 Uhr. Am letzten Samstag also.
    „Das ist ein Kaff am anderen Ende der
Stadt“, erklärt Dorville. „Der Brief ist Montag mit der Rohrpost gekommen. Ich
bin kein Experte, aber ich glaube, wenn Sie den Absender ausfindig machen
könnten, wären wir ein gutes Stück weiter.“
    Goldene Worte!
    Der Umschlag, Marke Fix, patentrechtlich geschützt, ist leer.
    „Was war drin?“ erkundige ich mich.
    Dacosta faßt in seine Gesäßtasche und
fördert eine abgegriffene Brieftasche zutage. Er entnimmt ihr eine Banknote und
faltet sie auseinander.
    „Das war drin, in dem Umschlag“,
kommentiert Dorville.
    Es ist ein 10 000-Francs-Schein mit
dem Bildnis Napoleon Bonapartes, kaum in Umlauf gewesen und so gut wie neu, nur
an den Rändern etwas fleckig. Mit Lippenstift und unsicherer Hand aufgemalt,
leuchtet das Kürzel O A S zwischen dem Triumphbogen und dem asketischen Gesicht
des Korsen mit den angeklatschten Haaren. Ebenfalls mit Lippenstift ist unten
auf dem Schein das Ausgabedatum unter- oder durchgestrichen: 2-6-62.
    „Hm!“ brumme ich nachdenklich. „Sollte
die Organisation wieder auferstehen?“
    „Darum geht’s nicht“, sagt Dorville.
    „Und worum geht es dann?“
    „Keine Ahnung“, kommt es wie aus der
Pistole geschossen. Etwas zu prompt für meinen Geschmack. „Jedenfalls könnte es
Agnès’ Schrift sein. Nicht auf dem Umschlag, nur die Buchstaben O A S.“
    „Was heißt hier ,könnte’? Es ist ihre
Schrift, das steht fest“, behauptet Dacosta entschieden.
    Er hat plötzlich seine Sprache
wiedergefunden und wagt sich sogar an Schlußfolgerungen heran:
    „Ich weiß nicht, woher sie den Schein
hat. Der größte, den ich ihr jemals gegeben habe, war ein Fünftausender. Aber
geschrieben hat sie das, kein Zweifel. Das O ist ein bißchen mißglückt, nicht
richtig geschlossen, aber vielleicht hat sie es eilig hingekritzelt, im Stehen
zum Beispiel, oder auf den Knien. Außerdem ist es derselbe Farbton, den auch
ihre Lippenstifte haben. Und es ist ihre Art, die drei Buchstaben
aneinanderzureihen. Mein Gott, das hat sie dort auf jeder Häuserwand
gesehen!“
    Ich untersuche

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