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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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die Banknote. Nach dem
S ist der Lippenstift nach oben abgerutscht, wahrscheinlich wegen der
unbequemen Haltung der Schreiberin, so wie es Dacosta vermutet. Unter den
aufmerksamen Blicken der beiden Männer drehe und wende ich den Zehntausender
nach allen Seiten. Ich schnuppere sogar daran, kann aber keinen besonderen
Geruch feststellen. Ich weiß nicht warum, aber ich möchte den Schein behalten.
Vielleicht um ihn meiner Sammlung beizufügen (bei mir zu Hause in einer
Schublade liegen schon ein paar Münzen, auf die das berühmte Kürzel gestanzt
ist). Vielleicht auch nur, weil mir irgend etwas sagt, daß ich ihn mir zu Hause
genauer ansehen sollte, alleine, in aller Ruhe. Obwohl ich, offen gesagt, nicht
weiß, ob mir das mehr Aufschluß über seine Herkunft geben wird. Dennoch bitte
ich Dacosta, mir den Geldschein zu überlassen. Wieder stumm geworden, erklärt
er sich nach kurzem Zögern durch ein Kopfnicken einverstanden. Halb im Spaß,
halb im Ernst sagt Dorville:
    „Haben Sie etwa ein tragbares Labor
mitgebracht, mit dessen Hilfe Sie den Schein nach Fingerabdrücken absuchen
wollen?“
    „Tja, wer weiß?“ antworte ich
ausweichend. „Das wäre vielleicht auch nicht schwieriger, als den Absender
herauszufinden. Denn, wissen Sie, nur weil der Brief in Saint-Jean-de-Jacou
abgestempelt ist, muß der anonyme Absender nicht unbedingt in dem Kaff wohnen.
Man könnte sogar sagen: im Gegenteil! Ich werde mich aber trotzdem dort
umsehen... So, und jetzt verdrücke ich mich. Vorher noch eins, Monsieur
Dacosta, damit zwischen uns Klarheit herrscht: Wunder vollbringe ich nicht. Ich
kann Ihnen nichts garantieren. Immerhin ist es jetzt eine Woche her, daß Ihre
Tochter verschwunden ist, vergessen Sie das nicht! Verdammt nochmal, hätten Sie
nicht früher etwas unternehmen können? Na ja, was geschehen ist, ist
geschehen... Noch etwas anderes: Montpellier scheint ja inzwischen eine große
Stadt geworden zu sein. Für mich bleibt sie jedoch weiterhin ein Provinznest,
das heißt, jeder kennt jeden. Wenn ich also hier überall herumschnüffle,
besteht die Gefahr, daß ich auf mich aufmerksam mache. Und zwar eher, als mir
lieb ist! Sie haben die Flics aus dem Spiel gelassen. Ich werde alles tun,
damit sie dort bleiben. Vielleicht läßt es sich aber nicht verhindern, daß sie
uns irgendwann in die Quere kommen. Wollen Sie das Risiko eingehen?“
    „Finden Sie Agnès“, sagt er mit seiner
tonlosen Stimme. „Und was die Flics angeht
    Er zuckt die Achseln und fügt nur
hinzu:
    „Inschallah!“
    „O.k.!“
    Nach diesem arabisch-amerikanischem
Wortwechsel lege ich die subversive Banknote zu meinen eigenen Geldscheinen und
stecke auch den Umschlag ein. Wir geben uns die Hand wie nach einer Beerdigung,
und dann gehen Dorville und ich zum Wagen zurück.
    Die Nacht verhält sich weiterhin still
und friedlich, vibriert von tausend Geräuschen nächtlichen Landlebens. Dacosta
hat die Haustür geschlossen, und das Haus wirkt wie ein lebloser Kasten. Nicht
lebloser allerdings als das Zimmer des jungen Mädchens, diese Schlafschachtel,
in der Langeweile und Überdruß herrschen und an die ich mich nur mit Unbehagen
erinnere.
    „Was halten Sie von Dacosta?“ fragt
mich Dorville, als wir unter den Platanen entlangfahren.
    „Ich will offen zu Ihnen sein, mein
Lieber. Wenn er nicht Ihr Freund und der von Laura Lambert sowie der Vater
eines so süßen Mädchens wäre, würde ich ihn mit seinen Sorgen alleinlassen. Und
ich will Ihnen noch etwas sagen: Sollte ich das Mädchen finden und feststellen,
daß sie glücklich ist, dort, wo sie ist, dann können Sie sich auf den Kopf
stellen, alle miteinander, aber ihre Adresse werden Sie von mir nicht erfahren!
Damit Sie’s wissen! Haben Sie das Zimmer gesehen? Trostlosigkeit, wohin man
blickt. Ich wette, das Kopfkissen war noch ganz feucht von Tränen.“
    „Reden Sie keinen Quatsch, Burma!
Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung im Laufe der Nachforschungen.“
    „Möglich. Aber in Bezug auf Dacosta
werde ich meine Meinung bestimmt nicht ändern. Er ist mir zutiefst
umsympathisch.“
    „Sie werden Ihre Voreingenommenheit
ganz sicher ablegen, wenn Sie gewisse Dinge erfahren. Justinien ist am Ende,
ein unglücklicher, gebrochener Mann, der sich grämt und seine Sorgen in sich
hineinfrißt... zermürbt von seinem seelischen Tief.“
    „Die alte Platte: seelisches Tief!
Könnten Sie sich vielleicht endlich dazu entschließen, mir zu verraten, was es
damit auf sich hat?“
    „Ich hab’s Ihnen

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