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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Beispiel...“
    „Ja, sprechen wir von der Banknote!
Welche Rolle könnte der Schein bei dem Ganzen spielen?“
    „Meiner Meinung nach muß man darin ein
Symbol sehen, nämlich das der dreißig Silberlinge des Judas. Der Geldschein
soll den Empfänger an seine Schandtat erinnern. Wie die schwarze Hand der
Piraten. Warum nehmen wir nicht an, daß Leute, die Dacosta für einen Verräter
halten, Agnès gekidnappt und sie dazu gezwungen haben, den Schein mit dem
berühmten Kürzel zu zeichnen und...“
    Er verstummt.
    „Und?“
    „Tja, weiter reicht meine Phantasie
nicht.“
    „Gar nicht schlecht für den Anfang. Aber
sagen Sie, ich habe Sie noch gar nicht gefragt, auf welchem Gebiet Sie hier
tätig geworden sind. Sie schreiben nicht zufällig Drehbücher für
Fernsehserien?“
    „Nein. Aber ich bin tatsächlich so
eine Art Schriftsteller.“
    „Hab ich’s mir doch gedacht! Kriminalromane?“
    „Nein...“
    Trotz seiner gegenwärtigen Sorgen
bricht er in Gelächter aus.
    „Stellen Sie sich vor, in den drei
Jahren Knast, die ich wegen meiner Tätigkeit als Widerstandskämpfer absitzen
mußte, habe ich alles gelesen, was über den Angelsport geschrieben worden ist.
Ich selbst bin nämlich leidenschaftlicher Angler, müssen Sie wissen. Irgendwann
habe ich dann ein Buch übers Angeln geschrieben, ein Fachverlag hat’s
rausgebracht, und jetzt kassiere ich — als schamloser Verwerter fremder
Quellen, um nicht zu sagen, als Plagiator — genügend Tantiemen, um davon leben
zu können. Ich hatte immer gehört, daß es für solche Werke eine interessierte
Leserschaft gibt. Und jetzt stelle ich erfreut fest, daß es stimmt.“
    „Herrlich!“ rufe ich lachend. „Vom
bewaffneten Widerstand zum Angelsport!“
    Meine Stichelei scheint ihn zu ärgern,
denn von nun an macht er den Mund nicht mehr auf. Schweigend fahren wir durch
Stadtviertel, die ich nicht wiedererkenne. Dann erblicke ich plötzlich in der
Dunkelheit das imposante, vertraute Aquädukt von Arceaux. Wir fahren unter den
Bögen hindurch, und Dorville hält an. Er wohnt in der Rue Saint-Louis, in einem
baufälligen Pavillon, einer Art Künstleratelier, mit einem schmalen
Vorgärtchen, mehr einem Grünstreifen, wenn man es genau betrachtet. Der
Pavillon wird von zwei Mietshäusern eingerahmt.
    Ich folge Dorville in sein Häuschen.
Er schlägt vor, noch ein letztes Gläschen zu trinken, was ich gerne annehme.
Vielleicht wird das den scheußlichen Absinthgeschmack vertreiben.
    Nachdem Dorville mir einen Umschlag
mit dem versprochenen „Geld für den Anfang“ gegeben hat, frage ich beiläufig:
    „Dieser Verräter von Algier... Hat er
aus Ehrgefühl gehandelt, wenn man das so nennen kann, oder ging es ihm ums
Geld?“
    „Er hat wohl Geld erhalten. Gerüchte
gingen um... Es war von fünfzig Millionen alten Francs die Rede...
Latrinengeschwätz, wissen Sie...“
    „Und wann war das nun genau, die
Zerschlagung des Kommandos ,Omega’?“
    „Juni 1962.“
    „Juni 1962... Ist Ihnen aufgefallen,
daß das Datum auf dem Geldschein lautete: 2-6-62?“
    „Nein. Ich habe nicht darauf geachtet.
Was bedeutet das, Ihrer Meinung nach?“
    „Vielleicht nichts. Reiner Zufall...
Na schön, ich werde Ihnen Bericht erstatten, wenn es was zu berichten gibt!
Bringen Sie mich ins Littoral zurück?“
    „Selbstverständlich.“
    Auf der Fahrt durch die schlafende
Stadt wechseln wir keine drei Worte miteinander. So langsam werde auch ich
jetzt müde, fühle mich ziemlich kaputt. Dacostas Absinth, wahrscheinlich...
    Dorville setzt mich vor dem Hotel ab
und fährt nach Hause.
    Freund Bruyèras schläft wohl irgendwo
seinen Rausch aus. Auf seinem Posten ist er jedenfalls nicht. Der Page
schnarcht in einem Sessel. Aus Rücksicht auf den Schlaf der arbeitenden
Bevölkerung nehme ich, ohne jemanden zu behelligen, meinen Schlüssel
eigenhändig vom Brett und gehe in mein Zimmer hinauf, darauf bedacht, die
Stille des Hauses nicht zu stören. Ich öffne die Tür, trete in den winzigen
Vorraum und mache dann die eigentliche Zimmertür auf. Als ich nach dem
Lichtschalter taste, packt mich ein Kerl, der im Dunkeln bleibt, aber nach
Whisky stinkt, an der Krawatte, so daß mir die Luft wegbleibt. Es folgt ein
erstklassiger Schlag zwischen meine Augen. Wie hart muß der Junge wohl
zuschlagen können, wenn er nüchtern ist! Ich schlage zurück, allerdings eher
zweitklassig, fürchte ich. Auf solch einen Empfang war ich nicht gefaßt. Aber
erst- oder zweitklassig, ich erwische ihn. Es scheint

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