Wer Blut vergießt
hätte er vielleicht Andy aufgelauert, und wer weiß, was er dann getan hätte? Er war heute schon nahe genug dran. Das alles – die Ereignisse von damals, und auch das, was in der vergangenen Woche passiert ist, diese zwei Morde – das alles hat Joe Peterson zu verantworten. Nicht Sie, und auch nicht Andy.
Andy wusste übrigens gar nicht, was die Jungen über Sie gesagt hatten. Er wusste nicht, dass Sie Ihren Job verloren hatten oder warum Sie aus Ihrem Haus ausgezogen waren. Die ganze Zeit hat er geglaubt, es sei sein Fehler gewesen und Sie seien fortgegangen, weil Sie ihm die Schuld an dem gaben, was passiert war.«
Nadines Augen füllten sich mit Tränen. »Aber ich habe nie …«
»Er möchte Sie sehen«, sagte Melody. »Er will mit eigenen Augen sehen, dass es Ihnen gut geht.«
»O nein – Aber ich …« Nadine fuhr sich mit der Hand über die tränennassen Wangen. »Wie kann ich ihm jetzt unter die Augen treten, wenn er die ganze Zeit so etwas von mir geglaubt hat?«
»Weil er die Wahrheit kennt. Und ich glaube, es ist höchste Zeit, dass Sie beide sich in Ruhe unterhalten. Ich gehe ihn holen, ja?«
Zögerlich nickte Nadine. Doch als Melody sich zum Gehen wandte, flüsterte sie: »Warten Sie. Würden Sie bitte hierbleiben?«
»Ich gehe Andy holen«, sagte Gemma und schlüpfte durch den Vorhang hinaus.
Einen Moment lang sah Nadine Melody nur forschend an. Dann flüsterte sie so leise, dass Melody an die Trage herantreten musste, um sie zu verstehen: »Sie sollen wissen, dass ich wieder nach Paris gehen werde, sobald ich kann. Mir ist schon vor diesen ganzen Ereignissen klar geworden, dass ich nie nach England hätte zurückkehren sollen. Hier kann ich nicht mehr leben.«
»Aber Andy …«
»Ich werde einfach eine alte Freundin sein.« Sie lächelte. »Er kann mir schreiben, wenn er mag. Ich werde seine Karriere verfolgen. Vielleicht können Sie beide irgendwann mal nach Paris kommen.«
»Aber ich – Wir sind nicht …«
»Ich habe Sie beide zusammen gesehen, in dem Club in der Denmark Street. Und heute, als Sie in das brennende Haus zurückgegangen sind – er wollte mich nicht allein lassen, aber er hatte schreckliche Angst um Sie. Ich dachte – Ich hatte gehofft, dass Sie versprechen würden, auf ihn achtzugeben.«
Melody schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Andy jemanden braucht, der auf ihn achtgibt.«
»Oh, da irren Sie sich aber gewaltig.« Nadine ergriff Melodys Hand. »Wir brauchen alle jemanden, der auf uns achtgibt. Es ist ein ganz großer Fehler, etwas anderes zu glauben. Niemand weiß das besser als ich.«
Als am Donnerstagabend Doug Cullens Türglocke läutete, dachte er, Melody sei endlich gekommen, um ihm persönlich zu erzählen, was passiert war, anstatt ihm nur SMS voller unverständlicher Abkürzungen zu schicken.
»Ich komme, ich komme!«, rief er, während er zur Tür humpelte. Vielleicht sollte er ihr einfach einen Nachschlüssel machen lassen, wenn sein verdammter Knöchel nicht bald besser wurde.
Doch als er die Tür öffnete, war es nicht Melody, die auf der durchweichten Fußmatte stand, sondern Detective Inspector Maura Bell.
In ihrem beigefarbenen Trenchcoat sah sie genau so aus, wie er sie in Erinnerung hatte, nur vielleicht ein wenig mitgenommen. Der Supermarkt-Blumenstrauß in ihrer Hand schien nicht so recht zu ihrem restlichen Erscheinungsbild zu passen. Als er sie nur anstarrte, hielt sie ihm die Blumen hin. »Ich habe gehört, du hast dir den Knöchel gebrochen.«
»Was machst du denn – Wie hast du …«
»Deine Freundin Sergeant Talbot hat mir deine Adresse gegeben. Du hast mich ja nie zurückgerufen, und da dachte ich mir, mit einem kaputten Knöchel kannst du mir wenigstens nicht weglaufen.«
»Aber ich – Du warst doch diejenige, die …« Doug brach ab. Die Erinnerung an den Korb, den er von ihr bekommen hatte, schmerzte immer noch. Er hatte geglaubt, es könne wirklich etwas werden mit ihnen beiden, bis zu dem Abend, als er auf der Millennium Bridge versucht hatte, sie zu küssen.
»Du hast mir nie eine Gelegenheit gegeben, alles zu erklären.«
»Was gab es denn da zu …«
»Jetzt lass mich doch mal ausreden, Doug, ja?« Sie seufzte genervt, genau so, wie er es in Erinnerung hatte. »Ich war mit jemandem zusammen, bevor ich mit dir ausgegangen bin. Wir hatten uns getrennt. Kurz bevor ich mich an diesem Abend mit dir treffen wollte, rief er an und fragte, ob wir uns wieder versöhnen könnten. Ich dachte, es könnte vielleicht
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