Wer Böses Tut
angefangen, alles einzupudern.«
»Gut.« Er warf einen Blick auf die kleine Marmorkonsole neben der Tür. Eine leere, blauweiße Porzellanschale stand in der Mitte. Daneben lagen eine zusammengefaltete Ausgabe des Independent und ein ordentlicher Stapel mit ungeöffneter Post.
»Alles von Freitag«, sagte Nina. »Nichts Persönliches, nur Rechnungen und Rundschreiben, aber wir nehmen sie natürlich mit, für alle Fälle.«
»Wissen wir, wer die Post raufgebracht hat?«
»Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel von einer Frau namens Leonora. Sie schreibt, dass sie am Freitag viereinhalb Stunden geputzt hat. Ich nehme an, sie hat die Post von unten mitgebracht, und sie hat hier oben sehr gründliche Arbeit geleistet, soweit ich sehen kann. Kilometerweit nur beigefarbener Teppichboden und kein einziger Fleck, kein Staubkörnchen zu sehen. Die Frau verdient einen Orden.«
»Wir müssen sie finden. Haben wir ein Adressbuch oder einen Organizer des Opfers?«
Nina schüttelte den Kopf. »An der Tür haben wir eine Handtasche mit dem Portemonnaie des Opfers gefunden. Es sind ungefähr hundert Pfund in bar drin, die üblichen Kreditkarten, Führerschein et cetera und die Kleinigkeiten, die wir Frauen so mit uns herumtragen. Aber kein Blackberry, kein Handy oder dergleichen. Einen Computer haben wir auch nicht gefunden, obwohl im Gästezimmer ein Drucker steht und die Kabel da sind.«
»Und gibt es Hinweise auf einen Einbruch?«, fragte Donovan.
Nina schüttelte den Kopf. »Die Schlüssel des Opfers sind auch nicht auffindbar, vielleicht hat sich ja jemand damit selbst hereingelassen. Aber wenn irgendjemand hier drin war, hat er keine sichtbaren Spuren hinterlassen.«
»Vielleicht hat sie die Sachen aus irgendeinem Grund im Büro gelassen«, schlug Donovan vor.
»Ruf Nick an«, antwortete Tartaglia. »Wir müssen mit ihrem Geschäftspartner sprechen, vielleicht weiß er etwas darüber.«
Donovan nickte und begann in der Tasche ihres Overalls nach ihrem Handy zu suchen.
»Im Geschirrspüler waren ein paar schmutzige Becher und Gläser«, sagte Nina, während sie zusammen den Flur hinuntergingen. »Wollen Sie von allen Fingerabdrücke? Das scheint das Einzige zu sein, was die Putzfrau nicht klinisch sauber geschrubbt hat.«
»Ja. Noch was?«
»Bis jetzt nichts Ungewöhnliches. Sind Sie sicher, dass Sie sich umsehen wollen?«
»Sie kennen mich. Ich will ein Gefühl für sie bekommen, dafür, wie ihr Leben war.«
Er folgte Nina ins Wohnzimmer, wo eine kleine Mitarbeiterin die Türklinke mit Fingerabdruckpulver einstäubte. Es war ein großer Raum mit drei französischen Fenstern, die fast vom Boden bis zur Decke reichten, jedes mit einem kleinen schmiedeeisernen Balkon davor. Er ging zu einem der Fenster und starrte in den dunklen, wolkenverhangenen Himmel. Es hatte wieder heftig angefangen zu schneien, und dichte Flocken wehten am Fenster vorbei und blieben auf der hohen Schneeschicht auf dem Balkon liegen. Zweifelsohne stand da unten auf dem Bürgersteig immer noch eine Horde abgehärteter Journalisten, die er allerdings nicht sehen konnte. Er betrachtete die Autos, die am Fuß des Hügels die Kensington High Street entlangschlichen,
ihre Scheinwerfer glitzerten im Dunst wie eine Lichterkette auf dem Jahrmarkt. Er dachte an Rachel Tenison, daran, wie er sie am Nachmittag im Park zum ersten Mal gesehen hatte, so zerbrechlich und weiß, im Schnee kniend wie eine wunderschöne erblühende Blume.
Nach einer Weile wandte er sich um. Der Raum war sparsam eingerichtet, mit einer Mischung aus Antiquitäten und modernen Möbeln. Die Vorhänge waren von gedeckter Farbe, die Wände in einem ähnlichen Farbton, und bis auf ein deckenhohes Bücherregal an der hinteren Wand gab es keine Farbtupfer. Über dem Kamin hing eine große Landschaft in Öl in einem schweren Goldrahmen - die einzige Dekoration. »Unpersönlich« war das Wort, das ihm durch den Kopf ging. Der Raum ähnelte eher einer teuren Hotelsuite als einem Heim. Er ging zu dem Regal, das ebenfalls einfach und funktional war. Eine Mischung aus unspektakulären Klassikern, moderner Belletristik, wie man sie auf den Bestsellerlisten findet, einer Handvoll Biographien neben einer großen Abteilung über Kunstgeschichte füllte die Borde. Das einzig Bemerkenswerte war, dass die Bücher nach Kategorien und in alphabetischer Reihenfolge geordnet waren. Genauso ordnete er seine Bücher zu Hause auch, doch er begegnete selten jemandem, der ähnlich gesinnt war.
Auf einem
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