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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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    Für die meisten Menschen war Vivien einfach nur verrückt. Für Professor Peter Ullrich dagegen war sie ein Lichtwesen wie wir alle. Nur dass bei ihrer letzten Wiedergeburt etwas schief gelaufen war. Ihr Gedächtnis war nicht vollständig gelöscht worden. Sie war nicht wie andere Neugeborene aus dem Nichts gekommen, in das wir alle immer wieder kommen und gehen, sondern sie hatte ihr Leben mit Erinnerungen an eine schreckliche Vergangenheit begonnen, die es eigentlich gar nicht gegeben haben konnte. Zumindest nicht auf diesem Planeten.
    Professor Ullrich interessierte sich besonders für Kinder, die in einer anderen Welt zu leben schienen. Er sammelte sie wie andere Wissenschaftler Krebsgewebe oder Schlangengifte. Er studierte sie. Und er hoffte, dabei mehr über sich selbst zu erfahren.
    Vivien war schon seit drei Jahren bei ihm im Landeskrankenhaus, in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung. Hier war er ein Gott, und er würde Vivien nie, nie hier herauslassen. Denn ihre Erinnerungen waren klarer, als er es je bei einem Patienten erlebt hatte. Sie war für ihn wie eine gigantische unterirdische Bibliothek, für die nur er einen Leihausweis besaß.
    Er zog immer wieder wahllos Bücher heraus, schmökerte darin herum und las sich bis zur Erschöpfung fest. Beim nächsten Besuch entdeckte er einen Raum mit anderen Bücherregalen, wieder mit ein paar tausend Bänden. In jedem weitere neue, aufregende Aspekte des Seins. Doch egal wie viel Zeit er in seiner Bibliothek verbrachte, sein Leben würde nicht ausreichen, um alle Bücher zu lesen, geschweige denn zu speichern und auszuwerten. Er musste systematisch vorgehen. Er sagte es sich jeden Tag. Aber bei jeder neuen Begegnung mit Vivien erlag er ihrer Faszination sofort.
    Schon ein paar Mal war er kurz davor gewesen, eine Kollegin hinzuzuziehen. Er hatte die bekannte Reinkarnationstherapeutin Brigitte Zablonski sogar schon zum Gedankenaustausch ins Da Capo eingeladen. Doch im letzten Moment war er eifersüchtig vor der Vorstellung zurückgeschreckt, jemand anderem Zugang zu seiner Quelle zu gewähren. Am meisten fürchtete er, Vivien könnte plötzlich nicht mehr ihm allein gehören, sondern wissenschaftliches Allgemeingut werden. Also widerlegbar.
    Er stellte sich vor, wie seine Kollegen sie genüsslich Schicht für Schicht auseinander nahmen, sah vor sich, wie sie alles in den Schmutz zogen, was nicht in ihr engmaschiges Weltbild passte. In seinen Augen waren sie erkenntnistheoretische Dünnbrettbohrer, kaum in der Lage, ihre eigene Existenz hier und jetzt zu begreifen. Wie sollten sie akzeptieren können, dass es ein Wesen wie Vivien gab?
    Für den Professor stand fest, dass wir alle Lichtwesen sind wie Vivien, dass wir uns nur normalerweise kaum an das erinnern, was vor unserer Geburt geschah. Konnte jemand das doch, nannte man seine Erinnerungen Träume oder Fantasien - oder, falls sie heftiger wurden, Wahnvorstellungen. Es gab Tabletten dagegen und ausgefeilte Behandlungsmethoden. Statt die Chance zu ergreifen, die in den aufblitzenden Spuren aus unserer Vergangenheit lag, wurden die Menschen, die sich erinnerten, hospitalisiert oder man banalisierte alles.
    Professor Ullrich hatte Vivien schon sooft hypnotisiert, dass sie manchmal bereits in den Zustand versank, wenn sie nur seine Stimme hörte.
    Er konnte sehr großzügig sein. Zum fünfzehnten Geburtstag hatte er ihr eine wunderschöne chinesische Kladde geschenkt, sodass sie nicht mehr die kleinen Schulhefte voll schmieren musste. Den neuen Kolbenfüller mit Goldfeder benutzte sie fast nie, aber sie schrieb mindestens einen Filzstift pro Woche leer. Professor Ullrich unterstützte ihren Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Er lobte ihr Talent. Er las jeden Satz, den sie schrieb. Besonders ihren Thara-Roman mochte er.
    Manchmal aber gruselte sich Vivien vor dem Professor. Sie hatte die Putzfrauen bei einem Gespräch über ihn belauscht. Zum Beispiel durften sie Viviens Papierkorb nicht in den Müll ausleeren, alles musste dem Professor gebracht werden. Die alte, dicke Marga mit den rosigen Wangen, die von sich behauptete, hier im Landeskrankenhaus zum Inventar zu gehören, hatte lauthals über ihn gespottet. Er habe doch selbst einen Haschmich - wie alle Psychologen. Sie könne sich ein Urteil erlauben, sie habe schließlich viele kommen und gehen sehen, aber keiner sei so abgedreht gewesen wie Professor Ullrich. Trotzdem nannte sie ihn, wie die meisten hier, nur respektvoll den Chef.
    Einmal hatte

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