Wer Böses Tut
Kontrolle«, sagte Nicoletta munter, wirbelte herum und eilte zurück an den Herd.
Wenn er sonst zum Essen zu Nicoletta und John ging, packte jeder mit an. Das war der Sinn solcher Familienzusammenkünfte, sagte sie immer, und gewöhnlich machte er einen Großteil
des Abwaschs. Doch diesmal war es anders. Sie hatte ihn praktisch an seinen Stuhl gekettet, hatte Cousin und Cousine absichtlich weit weg gesetzt und ihn so gezwungen, Sarah seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. In wenigen Jahren würde er vierzig werden, und Nicoletta war nicht gewillt, irgendetwas dem Zufall zu überlassen, schon gar nicht das, was sie als seinen gleichgültigen Umgang mit Romantik bezeichnete.
Allerdings konnte er schwerlich Sarah dafür einen Vorwurf machen, die hoffentlich ahnungslos war. Verglichen mit der bunten Mischung von Nicolettas Freundinnen, die im Laufe der Jahre für ihn aufmarschiert waren, war Sarah eigentlich ganz attraktiv, mit hübschen, haselnussbraunen Augen und einer guten Figur. Wäre sie nicht eine Freundin seiner Schwester gewesen und hätte er sie irgendwo anders getroffen, hätte er sich vielleicht mehr Mühe gegeben. Aber er war nicht in der Stimmung dafür, und er hatte nicht die Absicht, Nicoletta an seinen Fäden ziehen zu lassen.
Er bemerkte, dass Sarahs Glas leer war, griff nach der Flasche und schenkte ihr den letzten Rest ein, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass der dicke, dunkle Bodensatz in der Flasche blieb.
Sie lächelte. »Danke. Der Wein ist wunderbar. Ein italienischer?«
Er warf einen Blick auf das Etikett und nickte. »Aus Sizilien. Ein Merlot. Ich hole noch eine Flasche.«
Dankbar für einen Grund, die Beine zu strecken, stand er mit der leeren Flasche in der Hand auf. Er warf einen Blick aus dem beschlagenen Fenster in den schneebedeckten Garten dahinter. So viel Schnee im Februar war ungewöhnlich - andererseits, was konnte einen heutzutage schon noch am Wetter überraschen? Allein der Blick ließ ihn frieren, obwohl er im warmen Küchendunst stand. Er hasste den Winter und ganz besonders den Februar, den bittersten, schwärzesten Monat von allen, in
dem man immer das Gefühl hatte, es würde nie wieder Frühling.
Er ging hinüber zur Küchenzeile, wo John am Spülbecken damit beschäftigt war, irgendein Gemüse abzuseihen, während Nicoletta einen Braten aus dem Ofen auf ein Brett zum Schneiden hievte. Tartaglia beugte sich über ihre Schulter und sog den scharfen Geruch nach Trüffeln, Steinpilzen und Knoblauch ein. Der Duft war vertraut, wie üblich stammte das Rezept von ihrer Mutter.
»Kalb?«
»Kalb. Setz dich wieder hin.« Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, scheuchte sie ihn ungeduldig weg, eine Geste, die ebenfalls an ihre Mutter erinnerte.
»Hier, nimm das schon mal mit«, sagte John mitfühlend lächelnd und tauschte die leere Flasche gegen eine volle, die bereits entkorkt war. »Wie findest du ihn?«
»Sehr gut.«
»Er stammt von einem kleinen Weingut bei Palermo. Dein Vater importiert ihn neuerdings nach England und hat uns eine Kiste zu Weihnachten geschenkt.«
»Ich wünschte, mir gegenüber wäre er auch so großzügig. Er denkt, ich kann Fusel nicht von einem guten Tropfen unterscheiden.«
»Da hat er Recht. Jetzt setz dich wieder hin«, zischte Nicoletta und bahnte sich, einen Stapel sauberer Teller in den Händen, mit den Ellbogen den Weg an ihrem Bruder vorbei.
Tartaglia trat den Rückweg zum anderen Ende des Tisches an, vorbei an seinem Neffen und seiner Nichte, die aus unersichtlichen Gründen angefangen hatten, sich zu kabbeln.
»Wo waren wir stehengeblieben?«, fragte er, als er sich wieder neben Sarah setzte und versuchte, den Lärm auszublenden.
Sie sah zu, wie er die Gläser nachfüllte. »Warum sind die
Menschen so besessen von Serienmördern? Das ist doch unglaublich grauenvoll und entsetzlich, aber das Fernsehen und die Buchläden sind voll davon.«
Tartaglia nickte nachdenklich. Diese Frage hatte er sich schon oft gestellt. »Ich vermute, die Menschen gruseln sich gerne. Die Serienmörder sind so eine Art moderner Schwarzer Mann, das, woraus echte Alpträume gemacht sind. Die Tatsache, dass manche nie gefasst werden, verstärkt den Mythos nur. Gott sei Dank gibt es nicht so viele von der Sorte, wenigstens nicht in diesem Land. Die meisten Mordfälle, in denen wir ermitteln, sind viel profaner.«
»Trotzdem muss es doch sehr ungewöhnlich sein. Ich meine, ein Mord ist doch etwas, das keiner von uns hoffentlich je erleben wird. Finden
Weitere Kostenlose Bücher