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Wer braucht schon Zauberfarben?

Wer braucht schon Zauberfarben?

Titel: Wer braucht schon Zauberfarben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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kleine Studio ist schnell erreicht. Ich habe es gemietet, kann hier also ungestört trainieren. Es gibt eine große Übungshalle, die mir in der Zeit ganz allein gehört – wie damals die Halle in New York.
    Heute will ich an meiner Beweglichkeit arbeiten und dabei am Reck turnen. Aber erst mal wärme ich mich auf – also genaugenommen meine Muskeln, mein Inneres ist noch durch die Glut von Beliars Küssen erhitzt.
    Da er diesmal nicht dabei ist, ziehe ich meine eigentliche Turnbekleidung, eng anliegende kurze Shorts und ein bauchfreies, ebenso knapp geschnittenes Oberteil an.
    Ihm zuliebe hab ich in langer Turnkleidung meine Übungen absolviert. In der Zeit, in der er lebt, sind sie ja in der Hinsicht ein bisschen bedeckter. Zumindest unten rum – das Bild meines Mieders im Kopf habend.
    Ich wollte nicht, dass er denkt, ich will ihn scharfmachen, wenn ich in „Unterwäsche“ vor ihm turne. Denn für genau das würde er es halten.
    Nach einer Stunde Aufwärmzeit beginne ich mit dem eigentlichen Training. Dazu drehe ich die Musikanlage bis auf Anschlag auf. Zu den Klängen von „
O Fortuna
“ von Carl Orff trete ich an die Reckstange heran, atme tief durch, tauche in eine andere Welt ein und ziehe mich beim ersten Paukenschlag hoch.
    Daraufhin beginne ich mit Äquilibristik – der Kunst sich zu verbiegen. Heute habe ich vor, an meine Grenzen zu gehen. Ich will sehen, wie weit ich es schaffe, meinen Körper zu beherrschen, damit er alles tut, was ich will.
    Meine Bewegungen sind stetig und kraftvoll. Zum ersten Mal möchte ich versuchen, mich komplett zurückzubiegen und meine ausgestreckten Beine in einer Kreisbewegung um meine eigene Achse zu führen. Das ist ziemlich abartig, aber ich will das unbedingt können. Dabei muss ich immer öfter vor Anstrengung stöhnen. Es klappt aber ganz gut.
    Im nächsten Augenblick hänge ich mich rücklings über das Reck und umfasse meine Beine fest. Als die Musik ihren Höhepunkt erreicht, drehe ich mich um die Stange herum, hebe ab und mache Saltikombinationen in der Luft.
    Immer wieder schraube ich mich hoch, lasse mich durch die Luft gleiten, nur um mich beim nächsten Paukenschlag erneut hoch zu katapultieren. Abschließend hole ich großen Schwung, der mich nach ein paar Saltis in der Luft zurück auf den Boden bringt.
    Genau in diesem Moment ist die Musik zu Ende. Ich strecke beide Arme seitlich weg und lege den Kopf in den Nacken.
    Ganzheitliche Euphorie lässt mich alles um mich herum vergessen. Ab jetzt fühle ich nur noch. Die herrschende Stille wird nur von meinen schnellen Atemzügen durchbrochen – und von einem Räuspern, das mich herzinfarktmäßig hochschrecken lässt. Es kam von Junus. Und er ist nicht allein.
    „Heiliger Odin“, stößt Tiberius, Beliars Vertrauter, mit schreckgeweiteten Augen aus. Beliar selbst mustert mich intensiv. Neben ihm stehen zwei Männer, die mir unbekannt sind und eine, in einen Umhang mit Kapuze verhüllte Gestalt.
    Den Männern steht die Verblüffung über meine Vorstellung ins Gesicht geschrieben. Na wunderbar. Wieso sagt mir Beliar nicht, dass er mich besuchen kommt und Gäste mitbringt. Dann hätt ich mir was angezogen – und eine andere Musik eingelegt. Der Gefangenenchor hört sich etwas gruslig an. Das hat sie sicher in ihren abergläubischen Grundfesten erschüttert. Nun stehe ich hier halbnackt mit schweißnassem, keuchendem Körper vor ihnen und frage mich, wie um alles in der Welt ich reagieren soll, nachdem niemand ein Wort sagt.
    Beliar erlöst mich nach ein paar Sekunden: „Darf ich vorstellen: Hailey Olivia Prudence Enya Dewitt beau Ador. Hope das sind der Seher Nadar und seine Begleiter.“ Okay, das ist also die Überraschung, die er für mich vorbereitet hat. Eigentlich hatte ich an Candle-Light-Dinner und Blumen gedacht, aber hey, kein Thema, er ist wohl nicht so der romantische Typ.
    Hey warte mal, der Seher ist doch der Kerl, der Beliar gesagt hat, wie er die Ador-Hexe erkennen kann. Da lag er wohl falsch, denn ich hab keine abstehenden Ohren.
    Bevor ich etwas erwidern kann, stößt die Kapuzengestalt ein ärgerliches: „
Nein
“ aus. Nein? Was soll das heißen? Dass Beliar seinen Namen falsch gesagt hat?
    Sogleich ergänzt der Typ: „Sie ist nicht die Ador-Hexe.“ Wie nett.
    Beliar scheint von den Worten dieses Trottels nicht überrascht zu sein. Das macht mich unsagbar wütend.
    Fuchsteufelswild schnaube ich: „Ich weiß, wer ich bin. Was Ihr sagt, ist irrelevant.“ Genervt stapfe ich zur Bank

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