Wer den Tod begruesst
Herausforderung einfach nicht widerstehen. »Ja, na gut. Ich weiß etwas, was Sie nicht wissen.«
»Sie glauben, ich würde nicht abdrücken?«
»Oh, Sie würden. Nur eben nicht bei mir.«
»Und weshalb glauben Sie das?«
»Weil Sie mir an die Wäsche wollen.«
Das brachte sie zum Schweigen.
»Char«, sagte er und beobachtete den blutrünstigen Rotschopf, den er soeben möglicherweise so provoziert hatte, dass er ihn am liebsten mit Blei voll pumpen würde, »halte die Stellung, und lass sie keine Sekunde aus den Augen. Ich beeile mich und bin gleich wieder da.«
»Wenn du schon mit offenem Mund dastehst, kannst du genauso gut auch was trinken.«
Jillian blickte von Nolan, der in einem Meer von schwitzenden, langhaarigen, Ohrring tragenden, Bier saufenden Schlägertypen verschwand, auf das Schnapsglas, das die Barkeeperin vor sie geknallt hatte. Sie überlegte es sich nicht zweimal. Sie hob es hoch und kippte den Schnaps runter, ohne weitere Fragen zu stellen.
Dann betete sie zum zweiten Mal an diesem Abend um einen schnellen, gnädigen Tod. Das Wort Feuerwasser bekam für sie eine völlig neue Bedeutung, als der Schnaps sie bis in die Zehenspitzen verätzte.
Als sie wieder Luft holen konnte und ihre Augen nicht mehr ganz so stark tränten, so dass sie wieder etwas erkennen konnte, suchte sie Nolan. Damit sie ihn erschießen konnte, und sei es auch nur wegen dieser ungeheuerlichen Bemerkung.
Weil Sie mir an die Wäsche wollen.
Arroganter Bastard.
Der Rauch war dick; die Sonnenbrille sehr dunkel. Bei dem ersten Mann, den sie verschwommen wahrnahm, handelte es sich nicht um Nolan. Und ein Blick veranlasste sie, den Griff um ihre Pistole zu verstärken, dankbar, dass sie sich die Kugeln für die wahre Bedrohung aufgespart hatte.
Der Mann sah aus wie eine Karikatur aus den schlechtesten Bikerfilmen, die jemals gedreht worden waren. Und er starrte sie an, als hätte er seit Tagen nur an irgendwelchen Motorradteilen genagt, und sie wäre ein netter Happen Frischfleisch.
Schwarzes, grausträhniges Haar, eingeschmiert mit etwas, was durchaus Motoröl sein konnte, war stramm zurückgebunden aus einem Gesicht, das bestimmt mehr gesehen und erlebt hatte, als sie sich überhaupt vorstellen konnte. Dass er ein harter Junge und schon lange auf dieser Welt war und einen Dreck darauf gab, noch viel länger zu leben, war ihm in jede Falte und Furche seines Gesichts gemeißelt und sprang einen förmlich aus seinen erweiterten Pupillen an. Er war bis auf ein paar Lederbänder und eine schwere Kette, die an zwei Nippelringen hing, nackt bis zur Taille.
Mein Gott, das musste höllisch wehtun.
Als er bemerkte, dass sie ihn anstarrte, spannte er die linke Brustmuskulatur an, und eine nackte Frau auf seiner Brust mit knallrotem Mund und riesigen Brüsten begann, mit den Hüften zu wackeln.
»Regel Nummer eins: kein Augenkontakt.«
Jillian fuhr herum zu Char, die sie mit zynischer Belustigung beobachtete. Sie konnte nicht anders. Fasziniert blickte sie wieder den Biker an. Er leckte sich die Lippen, packte mit einer Hand seine Eier und machte eine gleichermaßen obszöne Geste mit dem Queue, den er in der anderen Hand hielt.
Ihr blieb die Luft weg. »Oh Gott.«
»Du hast es schon wieder getan«, schimpfte Char. »Die Tiere nicht angucken«, befahl sie sicherheitshalber noch einmal. »Es sei denn, du willst sie füttern.«
Jillian sah sie entsetzt an.
»Lieber nicht«, kicherte sie.
Indem sie sorgfältig jeglichen Augenkontakt vermied, suchte Jillian die Ecken der Bar nach Garrett ab. Sie hatte ihn gerade entdeckt, als die Hölle losbrach.
Sie fuhr zusammen, als ein Tisch zu Boden krachte, ein anderer Mann sich aufrichtete – das junge Gesicht blutig und zerschlagen – und Garrett so breit angrinste, dass sich sein verbliebenes, noch nicht zugeschwollenes Auge beinahe schloss. Mit dem Geräusch von zerbrechendem Glas, wüsten Flüchen und dem Kampfruf »Hooah!« warf er sich mitten unter die Horde Biker in ein Gewimmel von Fäusten.
Jillian sah entsetzt, wie Garrett mit einem Lächeln – einem Lächeln, um Himmels willen – ruhig einen Queue aufnahm und durch die Menge zu ihm watete.
Es passierte so schnell, dass sie kaum folgen konnte. Sie hatte einmal einen Selbstverteidigungskurs mitgemacht, in dem der Lehrer demonstrierte, wie man jemandem einen harten Tritt so gegen den Oberschenkel verpasste, dass die Schlagader getroffen und der Angreifer bewusstlos würde. Jillian hatte diese Technik nie in der Praxis
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