Wer den Tod begruesst
besser als wir beide.« Genüsslich trank Jillian einen Schluck Wein. »Hör mal, Schätzelchen, ich bin total kaputt. Ich glaube, ich springe nur schnell unter die Dusche und dann rolle ich mich ein. Nie erschien mir das bevorstehende Wochenende verlockender. Hast du spezielle Pläne?«
»Das Übliche.«
Was bedeutete, dass Rachael mit irgendwelchen Wohltätigkeitsveranstaltungen zu tun hatte.
»Wie läuft es?«
»Prima.«
Jillian hörte die Erschöpfung in Rachaels Stimme. »Du arbeitest zu viel.«
»Und das sagst ausgerechnet du Arbeitstier mir?«
»Okay. Wir liegen beide nicht gerade auf der faulen Haut. Aber dieses Wochenende werde ich mich jedenfalls nicht totarbeiten. Ich schließe mich hier ein und ordne meine Notizen zu der Reportage über den Vergessenen Mann, und wie Punxsutawney Phil komme ich erst wieder aus meiner Höhle, wenn ich meinen eigenen Schatten sehe – oder erst Montag, was bedauerlicherweise viel zu früh ist. Wir sind doch immer noch Dienstag zum Mittagessen verabredet, ja?«
»Um zwölf im Four Seasons. Wir sehen uns dann. Und bekomm jetzt keinen Anfall – du hast doch abgeschlossen, oder?«
Jillian lächelte. »Ja, Mutter.«
»Erhol dich.«
»Du dich auch. Bye.«
»Bye.«
Jillian drückte auf die Aus-Taste, legte das Handy auf die schwarze Granit-Theke und hob das Weinglas an die Lippen.
» Vino . Nektar der Götter«, seufzte sie genießerisch.
Sie rollte den Kopf, um die Verspannung im Nacken zu lösen, und ging ins Wohnzimmer, wo sie zögernd stehen blieb, als sie das blinkende rote Licht auf ihrem Anrufbeantworter wahrnahm. Entschlossen ignorierte sie den Anflug von Neugier auf die Nachricht und ging weiter zu ihrem Schlafzimmer und zog auf dem Weg dorthin die Bluse aus ihrem Rock, während sie an ihrem Wein nippte.
Es waren Zeiten wie diese, wenn sie müde war und …
Sie dachte den Gedanken nicht zu Ende, sondern blieb mit rasendem Herzklopfen abrupt stehen.
Sie stand regungslos und mucksmäuschenstill im Eingang zu ihrem Schlafzimmer und horchte in den Flur. Sie war sich sicher, etwas gehört zu haben … in der Küche vielleicht. Sie wartete ein, zwei Herzschläge lang … hörte nur die schrille Stille und stieß die angehaltene Luft aus, als sie entschied, dass es nur die Eismaschine war, in der sich ein Eiswürfel gelöst hatte oder etwas ähnlich Harmloses.
Sie ärgerte sich über das leichte Unbehagen – alles nur, weil irgendein Spinner auf die blöde Idee verfallen war, sie mit Todesdrohungen zu erschrecken –, zwang sich resolut, ihre Nervosität abzuschütteln, und nahm ihren Gedankengang von vorhin wieder auf.
Es waren Zeiten wie diese, in denen sie sich wünschte, dass sie zu jemandem nach Hause käme. Jemandem, der ihr die schmerzenden Schultern massieren würde, der sich auf sie freuen, sie mit einem Glas Wein begrüßen und sie ins Bett ziehen würde zu einer netten, verspielten Runde heißem, schweißtreibendem Sex.
Was die ersten beiden Wünsche betraf, täten es eine Masseurin und ein Hund genauso gut, fand sie. Und die beiden anderen … sie gab einen Stoßseufzer von sich. Die beiden anderen Wünsche hatten schon länger nicht auf der Liste gestanden, als ihr lieb war. Genau genommen hatte es heißen, schweißtreibenden Sex noch nie gegeben. Weder auf dem Tisch noch im Bett, noch auf dem Fußboden. Netter, angenehmer Sex, ja, aber alles in allem derart nichts sagend, dass sie nicht einmal mehr wusste, ob es das letzte Mal vor vier oder vor fünf Jahren stattgefunden hatte. Sie dachte auch nicht gern daran.
Genauso wenig wie an die Todesdrohungen.
Aber sie dachte daran. Sie dachte sehr häufig daran, auch wenn sie versuchte, es herunterzuspielen. Sie begannen ihr unter die Haut zu gehen. Sogar in ihrem eigenen Heim war sie auf der Hut – und das gefiel ihr absolut nicht.
Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie sich an die erste erschreckende Botschaft erinnerte, die vor zwei Wochen auf ihrem privaten Anrufbeantworter war:
»Heller Stern, strahlender Stern,
der erste Stern, wenn ich sehe fern.
Ich wünschte, all mein Wünschen und mein Flehen,
würden noch heute Abend in Erfüllung gehen.
Ich wünschte, du wärst tot, Jillian.
Und was wünschst du dir?«
Die Stimme war abschreckend gewesen, geschlechtslos, fast wie eine Kinderstimme. Aber kein Kind könnte eine derart hasserfüllte und böse Absicht übermitteln. Die zweite Nachricht, die an ihre E-Mail-Adresse im Büro geschickt worden war und, bisher jedenfalls, von der
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