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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Laura

    Wenn mir vor einem halben Jahr jemand gesagt hätte, daß ich eines Tages glaube, was ich schreibe, ich hätte schallend aufgelacht, vielleicht bezeichnend mit dem Finger an meine Stirn getippt. Vor einem halben Jahr hätte ich das getan. Ich bin einer von denen, die nur glauben, was sie mit eigenen Augen sehen. Und ich schreibe Geschichten. Frei erfundene Geschichten, die sich um einen winzigen wahren Kern ranken. Gute Geschichten, wie man mir sagt. Grausam gute Geschichten, voll mit Entsetzen, Furcht und Nervenkitzel. Jene düsteren Seiten im Leser ansprechend, die man so gerne verborgen hält. Dies ist die Geschichte einer Puppe. Mit einem Wollfaden hatte man ihr eine Kugel als Kopf abgeteilt, diesen ebenso mit Fetzen ausgestopft wie den Körper. Arme und Beine hingen daran wie kleine, prall gefüllte Würste. Kein Haar, kein Mund, keine Nase, keine Augen. Ein gesichtsloser Kopf und der Körper ein dunkelgrünes Tuch, das mit groben Stichen zusammengenäht war. Daß sie existiert, daß sie nicht bloß ein Phantasiegebilde ist wie meine anderen Geschichten, das kann ich beschwören, bei allem, was mir lieb und teuer ist. Ich habe sie nicht nur gesehen. Mehr als einmal hob ich sie mit eigenen Händen vom Boden auf. Gleich beim erstenmal steckte ich sie in den Winkel unter unserer Kellertreppe. Er war ohnehin mit Gerümpel zugestopft, und wohin sonst hätte ich so ein altes Ding stecken sollen? Aber sie tauchte immer wieder auf. Wie ein Zeichen, das ein Kind mir vor die Füße legte, damit ich darüber stolperte. Damit ich begriff, daß es Dinge gab, weitab von all den Ungeheuern, die ich selbst geschaffen hatte. Deshalb nicht weniger grauenvoll. Dinge, die den Verstand lähmen, weil sie einem hilflosen, einem wehrlosen Kind angetan wurden. Ich mag Kinder, wir haben selbst zwei. Es stand von Anfang an fest, daß wir zwei Kinder haben würden, Laura und ich, zwei mindestens. Ich habe keine Geschwister. Laura ist ebenfalls als Einzelkind aufgewachsen. Doch im Gegensatz zu mir, der ich meist mit etlichen Freunden herumtobte, empfand Laura das Kindsein als etwas Schreckliches. Lange Jahre sprach sie nicht darüber. Was es zu ihren ersten Lebensjahren zu sagen gab, habe ich erst in den letzten Wochen und Monaten erfahren. Bis dahin wußte ich nur eines: Drei Tage nach ihrem zwanzigsten Geburtstag packte Laura einen Koffer. Sie wartete noch, bis sie ganz sicher sein konnte, daß ihre Eltern schliefen. Dann nahm sie sämtliche Geldscheine aus der Brieftasche ihres Vaters und schlich sich aus dem Haus. Am nächsten Morgen rief sie ihren Vater an, erklärte, daß es ihr gutgehe, und daß sie nicht daran denke, jemals wieder heimzukommen.
    »Ich hatte ein paar Probleme mit meiner Mutter«, erzählte sie mir ganz zu Anfang, nicht mehr und nicht weniger. Laura nahm sich ein möbliertes Zimmer. Das Geld ging rasch zur Neige. In den ersten Wochen hielt sie sich mit Gelegenheitsjobs mühsam über Wasser. Sie hatte nichts vorzuweisen, womit sie sich hätte ernähren können. Nur das Abitur und ein gutes Jahr an einer Privatschule, die irgend etwas mit Grafik und Kunst zu tun hatte. Laura hatte auch keine Vorstellung von einem bestimmten Beruf. Aber sie hatte Glück, das Glück der Tüchtigen. Als ich sie vor neun Jahren kennenlernte, arbeitete sie bereits seit einem halben Jahr in einer Werbeagentur. Weber und Wirtz, eine verhältnismäßig kleine Agentur, die sich jedoch im Laufe der Jahre einen sehr guten Namen machte und einen lukrativen Auftrag nach dem anderen an Land zog. Heute gilt das doppelte »W« als Markenzeichen. Laura begann ihre Karriere bei Weber und Wirtz als Mädchen für alles und verdiente gerade so viel, daß sie ihr Zimmer bezahlen und sich abends eine warme Mahlzeit bei McDonald’s leisten konnte. Viel besser ging es mir zu der Zeit auch nicht. Mein Studium betrachtete ich als abgeschlossen. 
    Ein wenig Humanmedizin, meinem Vater zuliebe. Er hätte mich gerne als Nachfolger in seiner Praxis gesehen. Aber ich hatte schon als Kind eine ausgeprägte Aversion gegen vereiterte Nagelbetten, gegen Rheuma und sämtliche Arten von Erkältungskrankheiten, gegen Kreislaufbeschwerden und alles andere, was einem Allgemeinmediziner täglich begegnet. Vor allem aber hatte ich etwas dagegen, in ein Stück Fleisch zu schneiden, wenn es deutlich als Arm oder Bein zu erkennen war. Mir wurde einfach übel davon. Und das legte sich nicht wie angekündigt nach dem dritten Mal. Ein halbes Semester Biologie, auch nicht das

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