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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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(auch sie sieht älter aus) am 7. Juli
1954, 11 Uhr, vor dem Standesbeamten des 17. Arrondissements in den heiligen
Stand der Ehe getreten sind. Ich rechne schnell nach: Désiris war
zweiundvierzig und das Mädchen, das er heiratete, zwanzig. Drei Monate nach der
Trauung wurde ihnen ein Kind weiblichen Geschlechts geboren, lebte aber nur
zehn Tage. Verdammter Désiris! Wenn man junge Mädchen liebt, paßt man doch auf!
Es sei denn... Na, darauf komme ich noch zu sprechen. Schon seit gut einer
Viertelstunde hätte ich die Flics anrufen müssen. Aber eine Minute mehr oder
weniger...
    Ich schnüffle weiter. Außer einem Foto
des toten Herrn Ingenieur fällt mir aber nichts Aufschlußreiches in die Hände.
Hat wohl gut aufgeräumt, bevor er sich in charmanter Begleitung umgebracht hat.
    Ich sehe mir sein Foto an. Sofort fällt die breite Stirn und — vor allem — der Blick auf. Ein
Blick, der inneres Feuer verrät, Sehnsucht nach früheren Zeiten, eine Art
unstillbaren Durst. Es sind die Augen eines Genies oder eines Bekloppten.
Hinterher ist es immer einfach, Rückschlüsse zu ziehen; aber aus diesem Blick
winkt bereits der Selbstmord.
    Als ich Foto und Familienbuch wieder
in die Schreibtischschublade lege, gellt ein Schrei durchs Haus. Ich stürme
nach unten. Das Dienstmädchen hat lauthals ihre Rückkehr ins Leben verkündet.
Die Kleine steht verstört im Türrahmen des Salons und weiß nicht, was
eigentlich gespielt wird. Es fehlt nicht viel, und sie macht wieder schlapp.
Ich geh auf sie zu und versuche eine beruhigende und — so gut es mir gelingt —
väterliche Geste. Sie starrt mich aus runden Augen an, den Mund weit
aufgerissen. Sieht verdächtig nach Kuh aus.
    „Haben Sie keine Angst“, sage ich so
sanft wie möglich. „Ich bin von der Polizei.“
    „Polizei?“
    Offensichtlich versteht sie das Wort
nicht.
    „Ja, von der Polizei. Sie selbst haben
uns doch alarmiert, nachdem Sie entdeckt haben...?“
    „Sie... Sie ha... haben...
gesehen...?“ stottert sie zitternd.
    „Ja. Lassen wir das im Moment. Sie
müssen erst wieder richtig zu sich kommen. Gibt’s hier irgendwo was zu trinken?“
    Keine Antwort. Ich schiebe das Mädchen
in die Küche, wo ich ein vierzigprozentiges Stärkungsmittel auftreibe. Ich
verabreiche ihr eine ordentliche Dosis. Mich selbst vergesse ich auch nicht.
Das möbelt die Kleine wieder auf, aber so ganz das Richtige ist das doch nicht.
Ich spendiere uns eine zweite Runde. Schon viel besser.
    „Wie heißen Sie?“ frage ich.
    „Marie Perrichaux. Aber Madame nannte
mich Mariette.“
    „Also gut, Mariette. Ich bin Nestor
Burma. Vielleicht sagt Ihnen mein Name was?“
    Tatsächlich, der Name sagt ihr was.
    „Ich habe gehört, wie Madame gestern
mit Ihnen telefoniert hat. Oh, unfreiwillig natürlich... Madame hat Ihren Namen
genannt... Nestor Burma, nicht wahr? Den Namen kann man gut behalten...“
    Ja, ja, das reicht. Das Mädchen vom
Lande hat sich bestimmt gesagt, daß es hier in Paris komische Familiennamen
gibt. Komischer noch als die Spitznamen in ihrem Kaff. Désiris... Nestor
Burma... Manchmal hat sie wohl gemeint, man wolle sich über sie lustig machen.
Kaum zu glauben, daß es solche Namen überhaupt gibt... Gar nicht zu reden von
den Namen bestimmter Minister, die sie in den Zeitungen liest oder im Radio
hört. Aber bei denen handelt es sich um Pseudonyme, wie alle Welt weiß. Niemand
würde es wagen, sein Ministeramt unter seinem richtigen Namen auszuüben. Nicht
mal Politiker.
    „Wissen Sie, was sie von mir wollte?“
    „Hat Madame es Ihnen nicht gesagt?“
    „Sie hat mich nur hierherbestellt.
Wissen Sie, warum?“
    „Nein.“
    Arme Madame Désiris! Ich höre noch
ihre Stimme am Telefon: ,Hallo . Monsieur. Mein Name
ist Jeanne Désiris. Sie übernehmen doch vertrauliche Aufträge, nicht wahr?
Könnten Sie zum Beispiel rauskriegen, woher gewisse mysteriöse Einkünfte
stammen? Sagen wir... ein plötzliches Vermögen? ... Ja, das könnten Sie?
(Nestor kann alles! Vor allem, wenn jemand einen Namen hat, der zum Träumen
verführt...) Vielen Dank, Monsieur Burma! Würden Sie morgen früh um neun zu mir
kommen?“
    Ich kann mich nicht mehr genau an ihre
Worte erinnern, aber ungefähr das hat sie gesagt. Gewisse mysteriöse Einkünfte!
Plötzliches Vermögen! Von wegen! Sie hat mir irgendein Märchen aufgetischt, das
ihr zufällig in den Sinn kam. Großer Gott! Wie kompliziert die Leute doch sind!
Sie hätte doch einfach sagen können: ,Ich mach mir
Sorgen um meinen

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