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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Schieß los.«
    Morgan leckte am Papier und schob sich die Zigarette zwischen die Lippen. Suchte nach einem Feuerzeug.
    »Was fehlt dir?« fragte Errki.
    Morgan starrte ihn überrascht an. Runzelte ärgerlich die Stirn. Nestor wieherte. Der Mantel bewegte in seiner Ecke ein wenig die Arme. Er war immer so schlaff. Irgendwie kraftlos. Manchmal hatte Errki das Gefühl, er sei nur ein Bluff. Ganz einfach ein verdammter Bluff.
    »Mir fehlt gar nichts, zum Teufel«, sagte Morgan wütend. »Und bisher habe ich dich nicht mal gekratzt. Ob das so weitergeht, hängt von dir und deiner Bereitschaft zur Zusammenarbeit ab.«
    Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Der Umgang mit Irren war schwierig, sie waren so unvorhersagbar. Aber sie hatten ihre eigene Logik, das wußte er immerhin. Nur mußte diese Logik gefunden werden.
    »Ich sag dir eins«, erklärte er. »Ich hab ein bißchen Ahnung von deinem Problem. Meinen Zivildienst hab ich nämlich in einer psychiatrischen Klinik gemacht. Das hättest du nicht gedacht, was? Ich hab den Kriegsdienst verweigert. Aufgrund meiner pazifistischen Überzeugung.«
    Er schielte zu der Waffe hinüber und stieß ein begeistertes, brüllendes Gelächter aus. »Vor allem an einen komischen Vogel erinnere ich mich, der hat dauernd an seinen Unterhosen rumgeschnüffelt. Ansonsten konnte er keiner Fliege was zuleide tun. Wie ist das eigentlich mit dir? Riechst du auch an deinen Unterhosen?«
    Errki mußte die öde Tatsache zur Kenntnis nehmen, daß dieser
    Mann einfach kindisch war. Er betrachtete den Blutfleck. Der war immer noch da.
    »Wo ich gerade dran denke«, sagte Morgan. »Jetzt bin ich wieder mit Fragen an der Reihe. Wie würdest du mich beschreiben, wenn die Polizei dich fragte. Na los, zeig mal, was du kannst.«
    Ein Trottel von Mann, dachte Errki. Ein lockiger Clown mit bescheuerten Shorts. Fast die ganze Zeit hat er Angst. Wenn er den Revolver verliert, ist er hilflos. In der Anstalt würden sie sicher sagen, daß er als Kind übersehen worden ist.
    Er bedachte Morgan mit einem dermaßen brennenden Blick, daß der zusammenfuhr.
    Größe: Etwas unter eins siebzig, bestimmt nicht darüber.
    Morgan schwieg und wartete.
    Gewicht: Zwanzig Kilo mehr als ich. Alter: Vielleicht zweiundzwanzig. Dichte, sandfarbene Locken. Gerade graue Augenbrauen. Graublaue Augen. Kleiner Mund mit vollen Lippen.
    Morgan zog an seiner Zigarette und seufzte ungeduldig.
    Kleine Ohren mit fleischigen Ohrläppchen. Kurze Wurstfinger, runde Oberschenkel und Waden. Ein wenig aufgedunsen. Kleidung: Bescheuert. Intelligenz: Innerhalb der Norm, aber ziemlich weit unten.
    Es herrschte Totenstille. Sogar die Vögel hielten die Klappe. Nur Errki hörte das Kichern aus dem Keller. Morgan sprang auf und riß den Revolver an sich.
    »Von mir aus kannst du so scheißgeheimnisvoll sein, wie du willst. Auf jetzt, wir müssen weiter.«
    Er hatte das ekelhafte Gefühl, zum Narren gehalten zu werden, wußte aber nicht so recht, wieso.
    »Du bist nur ein Bild«, sagte Errki plötzlich.
    »Fresse halten, hab ich gesagt.«
    »So eins, das niemand umdrehen mag, um den Text auf der Rückseite zu lesen.«
    »Los jetzt.«
    »Hast du dir das mal überlegt?« fragte Errki eindringlich. »Niemand weiß, wer du bist. Ist das nicht schrecklich, Morgan?«
    Morgan blickte ihn verwundert an. Errki erhob sich bewußt langsam, machte einen langen Schritt, um nicht in das klebrige Blut zu treten, und ging dann den Pfad hinunter, in Richtung der Aussichtsstelle, wo das Auto stand.
    »Nein, zum Teufel. Weiter nach oben. Bist du denn total bescheuert?«
    »Was machst du, wenn ich gehe, wohin ich will?« fragte Errki leise.
    »Dir eine Scheißkugel zwischen die Augen pflanzen und ein Loch suchen, wo ich dich reinstecken kann. Tempo jetzt.«
    Also ging Errki. Schneller denn je. Er war ausgeruht, und wenn er in Bewegung war, fühlte er sich wohler.
    »Schon gut, das ist schnell genug. Wenn du dich wirklich hier auskennst und mir nicht was vom Pferd erzählt hast, dann such uns eine alte Hütte oder irgendwas, wo wir uns verstecken können.«
    Eine alte Hütte. Davon gab es mehrere, die meisten lagen auf der anderen Seite des Kamms, etwa zwei Kilometer entfernt. Das Gelände war unwegsam, außerdem herrschte eine schreckliche Hitze. Errki hatte Durst. Er sagte nichts, ging aber davon aus, daß das auch für Morgan galt. Er hörte ein Keuchen und bald darauf Morgans Stimme, die jetzt ruhiger klang.
    »Wenn du einen Bach oder so siehst, dann sag mir

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