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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Bescheid. Ich habe schweinemäßig Durst.«
    Errki wanderte weiter. Seine langen schwarzen Haare flogen von einer Seite auf die andere, und das taten auch seine Jacke und die weiten Hosenbeine. Morgan starrte verwirrt hinter ihm her. Dieser Mann war total unbegreiflich, vollkommen anders als alle anderen Menschen. Warum lasse ich ihn nicht laufen, fragte er sich, warum schleppe ich diese schwarze
    Vogelscheuche mit mir rum? Ich hätte ihn im Auto sitzen lassen können. Habe ich einfach Angst, er könnte mich der Polizei beschreiben? Oder gibt es noch andere Gründe? Er überlegte sich, daß der andere vielleicht nicht einmal reden würde, wenn er der Polizei in die Finger geriete. Er warf einen Blick auf die Uhr. In einer halben Stunde kamen im Radio Nachrichten, würden sie eine Pause einlegen und mal hören, was die Polizei inzwischen in Erfahrung gebracht hatte. Er machte so lange Schritte, wie er nur konnte, aber der Durst wütete in seinem Mund und seinem Hals. Er hatte Whisky, aber er war auch gescheit genug, damit zu warten. Irre konnten gefährlich sein. Dieser hier war zwar körperlich nicht besonders gut ausgerüstet, aber Irrsinn und ein Mangel an Hemmungen konnten gewaltige Kraft freisetzen, das wußte er. Vielleicht sollte er ihm so weit wie möglich nach dem Mund reden. Ihn nicht zu sehr provozieren. Und sie waren ja auch keine Feinde, er hatte diesen Verrückten doch aus einem reinen Impuls heraus mitgenommen. Er hatte das Gefühl gehabt, einen riesigen Schild vor sich zu halten, als er mit diesem Irren aus der Bank gerannt war. Keine Panik, sagte er sich. Der redet einfach nur so komisches Zeug. Denk an dein Jahr in der Anstalt, daran, wie die sich alle gefürchtet haben.
    Errki blieb stehen und klopfte auf seine Jackentaschen. Erst auf die eine, dann auf die andere. Er steckte eine Hand in die Hosentasche, drehte sich um und starrte ins Gras.
    »Was ist los?« Morgan sah ihn an. »Hast du was verloren? Ich meine, abgesehen vom Verstand.«
    Errki klopfte noch einmal seine sämtlichen Taschen ab.
    »Du kannst eine Fluppe von mir haben, wenn du deinen Tabak nicht findest.«
    »Das Glas«, murmelte Errki und schaute sich um.
    »Welches Glas?«
    »Die Medikamente.«
    »Du nimmst Medikamente? Wo hast du sie verloren?«
    Errki gab keine Antwort. Er ließ seinen Blick durch den Wald wandern und wackelte mehrere Male mit dem Kopf.
    »Nimmst du antipsychotische Mittel? Na gut, wenn du sie verloren hast, mußt du eben ohne auskommen. Ich meine, deshalb kriegst du doch keinen Tobsuchtsanfall, oder?«
    Tobsuchtsanfall. Nestor summte vor sich hin, es klang wie Strom in einem Kabel. Nicht einmal dieses Wort kapiert er. Errki setzte sich wieder in Bewegung.
    »Solche Chemikalien sind sowieso ein Scheiß«, murmelte Morgan und dachte dabei über dieses Problem und seine möglichen Folgen nach. »Die ziehen dich bloß nach unten. Du kriegst statt dessen einen Whisky von mir«, fügte er hinzu.
    Wieder blieb Errki stehen. Schaute Morgan an.
    »Ich heiße Errki.«
    »Errki?«
    »Ich bin nur zu Besuch. Die Hand, die man nicht abhacken kann, muß man küssen.«
    Er ging weiter. Morgan blieb im Heidekraut stehen und schaute ihm hinterher. Ihm ging plötzlich auf, daß er, der Wärter, wie ein Hund hinter seinem eigenen Gefangenen hertrottete. Der andere war schnell, kam viel rascher vorwärts als er, viel leichter. Die Rollen waren vertauscht worden. Hier hing er im Schlepptau wie ein altes Weib. Niemand wußte, wo sie waren, niemand konnte ihm zu Hilfe kommen, wenn etwas passierte. Er umklammerte den Revolver. Ein Schuß in den Oberschenkel würde schon reichen. Der Kerl hatte eigentlich keine Chance. Wenn es erst dunkel wurde, würde er allein weitergehen, den anderen vielleicht fesseln, um sich einen Vorsprung zu sichern. Mehr nicht. Der Bursche war abstoßend. Aber er hatte auch etwas Faszinierendes. Die Augen. Die seltsamen Sprüche. Die Feierlichkeit, die von ihm ausging, so als komme er aus einer anderen Welt. Diese Erkenntnis überraschte Morgan. Vielleicht war er ein brillanter Geist, so was wie ein Genie. Er glaubte, das einmal gehört zu haben, daß die Leute, die richtig verrückt werden, in Wirklichkeit über den schärfsten Verstand verfügen. Das war hier vielleicht genau das Problem. Der Bursche hatte zuviel Durchblick gehabt. Etwas hatte er in seinem Jahr in der Anstalt eben doch gelernt. Plötzlich sah er, daß die Entfernung zwischen ihnen immer größer wurde. Er jagte hinterher. Nach einer Weile wurde

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