Wer im Trueben fischt
Brüstung der Schlossbrücke und johlten, wenn sich ein Fahrgast erschrocken an den Haarschopf fasste.
Je näher Emma dem Schlossplatz kam, desto voller wurde es. Menschenmengen drängelten sich auf dem alten Boulevard Unter den Linden und zwangen die Autos immer wieder zum Halt. Emma ging an Demonstranten, vermutlich Studenten der nahen Humboldt-Universität, vorbei, die erschöpft neben ihren Transparenten auf dem Pflaster hockten. Eine Familie, Vater, Mutter, zwei Kinder, Touristen mit Rucksäcken und festen Schuhen bahnten sich einen Weg durch das Getümmel. Emma sah vor sich auf dem Boden ein rosa glitzerndes Bonbonpapier. Schnell hob sie es auf, strich es glatt und steckte es in ihre Hosentasche.
Das neu erbaute Humboldt-Forum, ein Block aus Stahl und Glas, stand von der Straße zurückgesetzt. Als Emma auf die Eingangstreppen zuging, sah sie die Polizeiwagen links und rechts auf den Zufahrtswegen. Die Männer darin folgten ihr mit den Augen. Auch hinter der imposanten Glastür stand ein Polizeibeamter in Uniform, der sie fragte, was sie wollte. Emma zeigte ihren Presseausweis und wurde durchgelassen.
Das riesige Foyer öffnete sich nach oben hin über sämtliche fünf Etagen. An der Rückwand der Halle führten Glastüren in die Tiefe des Gebäudes. Über breite Treppen an den Seiten erreichte man die höheren Etagen, die galerieartig in die Halle hineinragten. Oben auf den Gängen entdeckte Emma vereinzelt Polizisten. Im Foyer standen nur noch wenige Menschen in kleinen Gruppen zusammen. Sie redeten leise miteinander.
Emma steuerte auf eine Frau in einem dunkelgrauen Kostüm zu, die sich gedankenverloren mit dem Fingern über die Oberlippe strich. Ihr Namensschild wies sie als Referentin aus. Emma zeigte ihren Ausweis und fragte auf gut Glück nach Tom Rosenberg.
»Sicher will er doch noch eine Erklärung zu seinem Rücktritt abgeben, oder?«
A nne Friedrich betrachtete die Frau vor ihr mit der Tasche vom Radiosender. Sie hatte den Presseausweis angesehen, ohne den Namen zu registrieren.
»Wie heißen Sie?«
»Emma Vonderwehr. Ich bin von BerlinDirekt und möchte gerne Herrn Rosenberg sprechen.«
Die Referentin hörte die Worte der Frau, ohne ihren Sinn zu verstehen. Sie musste daran denken, wie sie den Präsidenten eben behandelt hatte. Er hatte über den verpatzten Abend gejammert, über die schlechten Schlagzeilen, mit denen seine neue Universität jetzt beschmutzt werden würde.
»Kann sich der Mann nicht zu Haus umbringen lassen?«
Sie hatte sich mitten in seinem Satz umgedreht. Er rief nach ihr, aber sie war einfach aus dem Raum gegangen. Vielleicht hatte sie jetzt alles verdorben. Sie dachte an die vielen Überstunden, die sie in den letzten Wochen bis zur Eröffnung gemacht hatte. Es war ihr erster Job. Die Frau vor ihr räusperte sich.
»Ist Ihnen nicht gut?«
Anne Friedrich fühlte ihre Wangen heiß werden. Sie hatte geweint, bestimmt war ihr Make-up verschmiert. Die Frau starrte ihr ins Gesicht. Sie drehte sich leicht von ihr weg und sagte barsch:
»Warten Sie hier, es gibt gleich eine Pressekonferenz.«
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand hinter der Glastür im Bauch des Gebäudes.
Emma schaute ihr hinterher, bis sie ein leises Lachen hörte. Sie drehte sich um. Erst jetzt sah sie, dass an der Fensterfront schon ein paar Journalisten warteten. Eine Frau trug eine Jacke mit dem dpa-Logo. Zwei Männer hantierten an einer Filmkamera, der eine lachte noch immer über die Bemerkung des anderen. Emma verkroch sich in einen tiefen Clubsessel an der Bar. Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und rief Schneider an. Als sie ihm von der bevorstehenden Pressekonferenz erzählte, schnalzte er erfreut mit der Zunge.
»Das gibt auf jeden Fall was für die Nachrichten. Der Frühredakteur morgen heißt Markus Haarms. Leg ihm einen Zettel hin. Ich werde auch früh da sein.«
Dann gab der Chefredakteur ihr noch ein paar Details der Agenturen durch. Dpa brachte die überraschende Kündigung und außerdem noch ein paar biographische Angaben zu Tom Rosenberg. Emma griff nach einem Festprogramm, das zerknüllt im Aschenbecher lag.
»Warte mal.«
Sie strich es glatt und notierte sich die Informationen, die Schneider ihr diktierte.
»Geboren 1963 in New Hampshire, Absolvent der New Yorker Columbia University, Bestsellerautor. Hat vor wenigen Monaten die einjährige Professur in Berlin angenommen.«
Sie kritzelte die Angaben an den Rand der Einladung.
»Mehr nicht?
»Nee. Ich geh
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