Wer im Trueben fischt
es.
Sie sah ihre kleine Schwester Ida vor sich. Sie hatte sich den Nagellack ihrer Mutter geschnappt und malte hingebungsvoll ihre Füße an. Als Emma zur Tür hereinkam, sprang sie auf. Sie wollte ihr das schöne Werk zeigen. Dabei stieß sie die kleine Flasche um. Roter Lack sickerte in den Wollteppich. Ida schrie leise auf, so erschreckte sie sich.
»Heh!«
Emma zuckte zusammen.
Der eine zeigte mit seinem Gummihandschuhfinger auf sie.
»Was machen Sie denn hier?«
Emma trat einen Schritt auf ihn zu. Ihre Stimme zitterte, als sie ihm das Mikrofon hinhielt.
»Was war mit der Tür? War sie verriegelt? Hat er versucht herauszukommen?«
Der Mann lehnte sich zurück, so weit weg von ihrem Mikrofon wie er konnte. Er schaute zu seinem Kollegen, als von dort keine Hilfe kam, hob er abwehrend die Hand.
»Tut mir leid, darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben.«
»Ich ruf den Wachdienst«, sagte der andere, »He, kommen Sie doch mal bitte!« Ein schlaksiger Polizist schaute von der Haupttreppe zu ihnen rüber. Als er Emma entdeckte, beschleunigte er seinen Gang. Emma drehte sich auf der Stelle um und rannte den Flur wieder herunter.
Edgar Blume und Hans Erkenschwick gingen schweigend den Gang entlang. Blume war in Gedanken bei dem Gespräch mit der Referentin, als jemand um die Ecke gelaufen kam und ihn beinahe umwarf. Reflexartig schnellten seine Arme nach vorn und legten sich fest um den fremden Oberkörper. Die Person wehrte sich wild, hatte aber nicht genügend Kraft, um sich loszureißen.
Ein junger Beamter von der Bereitschaftsstelle kam angelaufen. Blume ließ los. Es war eine Frau. Sofort löste sie sich und trat einen Schritt von ihm weg. Er erkannte sie wieder. Sie hatte in der Pressekonferenz direkt vor ihm gestanden. Sie wirkte geschockt, sie zitterte und keuchte. Erkenschwick machte einen Schritt auf sie zu.
»Was haben Sie hier zu suchen, Sie …«
»Moment.«
Blumes Wort klang schneidend und ließ den Beamten verstummen. Er wandte sich an die Frau. Und sprach sie leise an.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
Die Journalistin schaute erstaunt zu ihm. Augenblicklich schien sie ruhiger zu werden. Blume warf einen Blick auf Erkenschwick.
»Ich kümmere mich darum, danke.«
Der Assistent zögerte. Dann winkte er dem jungen Polizeibeamten, der noch immer im Hintergrund wartete. Die beiden gingen weiter in Richtung Tatort. Als sie allein waren, wandte sich Blume der Frau zu.
»Wie heißen Sie?«
»Mein Name ist Emma Vonderwehr. Ich komme von BerlinDirekt und ich …
»Sie dürfen sich hier nicht aufhalten.«
Sie wirkte jetzt wieder ruhig. Sie ging einen Schritt auf Blume zu und hob langsam die Hand mit dem Mikrofon, das sie die ganze Zeit umklammert gehalten hatte.
»Ich weiß, tut mir leid, ich hab eigentlich nur die Toilette gesucht. Aber wo ich das hier doch schon mal gesehen habe, könnten Sie mir doch auch ein paar Fragen beantworten …«
Er wusste nicht, ob er lachen oder verärgert sein sollte. Er schob mit spitzen Fingern ihr Mikrofon zur Seite.
»Es gibt bestimmt auch Toiletten im Erdgeschoss. Und nun möchte ich Sie bitten …«
»Es war Mord, nicht wahr? Die verriegelte Tür, die Spurensicherung … er ist ermordet worden!«
»Darüber kann ich Ihnen nichts sagen.«
»Herr Blume, wollen wir eine Wette abschließen? Wenn Sie mich jetzt rausschmeißen, dann läuft in einer halben Stunde die Meldung über Berlin. Und Sie können heute Nacht keine Minute mehr ungestört arbeiten.«
Blume zögerte einen Moment. Ganz langsam hob die Frau erneut die Hand mit dem Mikrofon.
»Wie wurde Rosenberg ermordet?«
Blume betrachtete sie. Eine halbe Portion, mager und klein. Ihre Haare waren kurz und standen vom Kopf ab. Er überlegte, sie rauszuwerfen, aber dann sagte er:
»Ich mache Ihnen ein Angebot.«
Sie nickte und verlagerte das Gewicht ihrer Tasche auf die andere Schulter.
Ihre Augen sind blau, dachte er.
»Ich beantworte Ihre Fragen, und Sie halten die Meldung bis morgen früh acht Uhr zurück.«
»Fünf Uhr.«
»Ich habe es als Bitte formuliert, aber ich kann es auch anweisen.«
Stille. Sie biss sich auf die Lippen.
»Na gut, sechs. Um acht sind die meisten Hörer schon unterwegs.«
Blume verschränkte die Arme. Die Frau hielt ihm schnell das Mikro unter die Nase. Zufrieden registrierte er, dass sie sich dafür strecken musste.
»Wie ist Rosenberg gestorben?«
»Wir gehen von einem Todesfall unter Fremdeinwirkung aus. Aber das ist nur eine Vermutung. Was genau
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