Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
eigenen Abendvorbereitungen und ziehe mich ins Badezimmer zurück, um mein Gesicht anzumalen.
Obwohl ich bei einem Kosmetikkonzern arbeite, bin ich völlig unfähig, mich selbst zu schminken. Nach jahrelanger Übung bekomme ich immer noch keinen wackelfreien Lidstrich hin, ich finde nie die perfekte Stelle für das Rouge und weiß auch nicht so recht, wie ich eine Wimpernzange benutzen soll, ohne mir dabei die Augen auszustechen. Noch schlimmer ist es mit Nagellack. Die linke Hand wird immer gut. Die rechte … reden wir nicht davon. Vielleicht bin ich auch einfach ein Grobmotoriker. Denn am Licht oder am Spiegel kann’s nicht liegen. Mark hat, wenige Tage bevor ich bei ihm einzog, alles auf den neuesten Stand der Technik und des Designs gebracht. Unser Bad sieht aus wie ein Philippe-Starck-Showroom. Ich fand mein Badezimmer gemütlicher, aber schick ist dieses auf jeden Fall.
Als ich zurück ins Wohnzimmer komme, hat Mark sich bereits quer über unser großes mokkafarbenes Sofa gefläzt. Er liest in einer dieser Männerzeitschriften, die durch ihre Themenwahl immer wieder belegen: Die meisten Kerle sind genauso schlicht veranlagt, wie böswillige Frauen das vermuten. Auf dem Cover prangt der Schriftzug Ab ins Körbchen! Warum die Ehe den Mann kastriert . Kein Wunder, dass das nichts wird mit dem Heiratsantrag, den ich mir wünsche.
Ich verabschiede mich mit einem Kuss und rausche ab. Aber vorher lasse ich noch ein paar vermeintlich zufällig herumliegende Zeitungsseiten verschwinden. Nur so zum Spaß.
Seit bald zehn Jahren treffe ich mich mittwochs mit meinen Freundinnen, und genauso lange stehen und liegen immer die gleichen Sachen auf unseren Tischen in allen möglichen Cafés, Kneipen und Bars. Hätten wir diese ganzen Happenings aus Schirmchengetränken, Oliven und lila Handys doch nur fotografiert, wir könnten eine sehenswerte Ausstellung machen. Suchen Sie den Unterschied! , würde sie heißen. Verändert haben nur wir uns. Wir treffen uns inzwischen nicht mehr so oft in besonders angesagten Läden, weil man vor denen meist keine Parkplätze findet. Außerdem sitzt man auf alten Ledersofas mit Blick auf Stuck einfach bequemer als auf Sperrholzmöbeln mit Blick auf grün angemalte Wände. Leider muss Anna schon um elf nach Hause gehen, weil sie morgens früh aufsteht und ihr Kind in die Krippe bringt. Marie bestellt nur Salat, weil sie in ihre winzigen Karrierefrau-Hosenanzüge passen will. Verena dagegen stürzt sich heute mit umso größerer Begeisterung auf die Oliven, denn sie ist inzwischen im sechsten Monat schwanger. Der Ehering an ihrem Finger funkelt, als sie ihn mir unter die Nase hält.
»Und? Und?«, jauchzt sie.
»Ja, Verena. Toller Ring«, antworte ich folgsam.
»Nein, das meine ich doch gar nicht! Was ist denn jetzt mit dir? Hat er endlich gefragt?«
Drei Gesichter schauen mich gespannt an. Der Abend steht an einem Scheideweg: Champagner bestellen oder über Männer herziehen?
»Hat er nicht«, seufze ich. Kein Champagner.
»Er wird dich nie fragen. Männer sind Arschlöcher, und Frauen sind Trottel!«, sagt Marie und stiert in ihren Daiquiri.
»Natürlich wird er fragen!«, ruft Verena empört.
»Warum wartest du eigentlich? DU solltest ihn fragen«, sagt Anna ganz ruhig. Die hat gut reden. Anna hat tatsächlich mit siebenundzwanzig ihrem Freund einen Antrag gemacht, zack, zack, ein Jahr später war sie verheiratet und schwanger. Die Welt ist ungerecht, und ich werde als alte Jungfer sterben, weil ich so altmodisch bin. Mark gegenüber würde ich das natürlich niemals zugeben. Romantisch, würde ich vielleicht sagen. Nicht altmodisch. Ja, ich bin romantisch, und deshalb wünsche ich mir, dass der Mann meines Herzens mir einen Heiratsantrag macht. Mit Ring und Rosen, Pomp and Circumstance. In jedem dummen Hollywoodschinken wird vorgeturnt, wie das geht – aber Mark bekommt es nicht auf die Reihe. Vielleicht will er auch einfach nicht heiraten. Noch schlimmer: »Vielleicht will er MICH nicht heiraten!« Uuups, das habe ich laut gesagt.
»Jetzt komm aber. Wie sollte jemand dich nicht heiraten wollen? Wenn du einen Penis hättest, würde ich dir sofort einen Antrag machen!«
Hach. Freundinnen. Dafür sind sie da.
»Was du brauchst, ist ein Plan«, referiert Verena im Stile einer Unternehmensberaterin. »Du musst ihn in die perfekte romantische Situation manövrieren, in der er gar nicht anders kann, als dich zu fragen!«
»Super Idee. Das wäre dann der Mittelkreis der Allianz
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