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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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nicht so gut im Reden bin. Ich höre lieber zu. Am liebsten ihr. Luisa kann reden. Gut reden. Schön reden. Nicht nur so daherreden. Ihre Sätze haben Subjekt, Prädikat, Objekt, Kommas, Doppelpunkte, Ausrufezeichen. Selbst Neben- und Schachtelsätze bringt sie noch zu einem wohlklingenden Ende. Ich könnte ihr stundenlang zuhören. Egal, ob sie nun über Kollegen lästert oder ihre Sinneseindrücke beim Verzehr ihrer Lieblingseissorte beschreibt: Hmmm, hmmm, eine Geschmacksknospenorgie!
    Plötzlich stand sie da. Ich versuchte noch, durch sie hindurch- oder wenigstens an ihr vorbeizuschauen, aber ich konnte meine Augen einfach nicht von ihr lassen, auch wenn sich das vielleicht komisch anhört. Luisa ist nicht nur schön, sie hat diese strahlenden Augen, die dich sofort packen und dein Herz schneller schlagen lassen. So war’s jedenfalls bei mir. Es war schon nach zwölf, das Lokal gerammelt voll. Wo sich Barnie herumtrieb, ist bis heute ein großes Rätsel. Ich stand an der Bar, wechselte ab und zu ein paar Worte mit dem Barkeeper, trank meinen Gin Tonic und schaute tief ins Glas.
    »Hallo«, sagte Luisa ohne Vorwarnung und lächelte mich an. Dieses Lächeln, war ich mir schon damals sicher, könnte Kriege beenden, Feinde versöhnen, Wasser in Wein verwandeln.
    Ich lächelte zurück. Wie ein Geisteskranker vermutlich.
    »Du redest nicht viel.«
    Ich schüttelte den Kopf, eher aus Verwirrung, als um zu verneinen.
    »Schön hier.«
    »Äh.«
    »Na dann. Hat mich gefreut.«
    Als sich das hübsche Mädchen schon fast weggedreht hatte, brachte ich doch noch meinen Mund auf. »Darf ich dich eventuell auf was einladen?«, stammelte ich unbeholfen.
    Da war es wieder, ihr Lächeln.
    »Was trinkst du?« Ich kam ausnahmsweise gleich zur Sache.
    »Einen Cosmopolitan, bitte.«
    Ich gab dem Barkeeper ein Zeichen.
    Später auf der Clubterrasse redeten wir über Gott und die Welt, beziehungsweise Luisa redete über Gott und die Welt. Ich hörte zu, sah sie an, vergaß die Zeit, die Menschen um uns herum, stellte nur gelegentlich Zwischenfragen, hielt mich sonst aber bedeckt. Obwohl ich ihr mindestens die Welt zu Füßen legen wollte, legte ich nicht gleich alle Karten auf den Tisch. Als ich um fünf Uhr morgens nach Hause kam, wusste ich praktisch alles über sie. Nur nach ihrer Telefonnummer hatte ich in der Hitze des Gefechts nicht gefragt.
    In den nächsten Wochen tigerte ich jeden Freitag in den Club. Ich befragte Angestellte, Stammgäste und seltene Gäste, als wären sie Zeugen in einem Mordfall. Ich erfuhr sehr viel Spannendes über sehr viele Menschen – nur Luisas Nummer bekam ich nicht heraus.
    Mit Barnie kann ich stundenlang schweigen.
    Barnie ist der Prototyp des Schweigers, was wohl auch mit seinem Beruf zusammenhängt. Er ist Psychotherapeut. Zu jeder vollen Stunde legt sich ein anderer Patient auf seine Couch und schüttet ihm das Herz aus. Dr. Bernhard von Denkwitz, wie Barnie im Berufsleben heißt, zählt schon seit einer ganzen Weile zu den hippsten Therapeuten Münchens. Er scheffelt richtig Kohle. Sogar Prominente, wie diese Sängerin oder jener Modelagent, pilgern zu ihm. Von Zeit zu Zeit haben wir gemeinsame Patienten.
    Ich sage oft: »Entschuldigen Sie, aber Ihr Busen ist absolut okay. Sie brauchen wirklich nicht aufzudoppeln, aber wenn Sie mit jemandem über Ihre letzte Beziehung oder Ihren Vater reden wollen, dann ist Dr. Denkwitz Ihr Mann.« Praktischerweise liegt Barnies Praxis zwei Stockwerke unter meiner.
    Also, das ist jetzt nicht direkt meine Praxis. Ich bin nur angestellt. Mein Chef ist ein höchstdekorierter Professor für plastische Chirurgie, eine echte Koryphäe, der aber mittlerweile die meiste Zeit des Jahres in der neuen Klinik auf Mallorca operiert und nur mehr gelegentlich einfliegt, um nach dem Rechten zu sehen. Deshalb genieße ich hier praktisch Narrenfreiheit.
    »Ihr Vollidioten«, brüllt Barnie, als der Barcelona-Sturm unsere Abwehr schwindlig spielt. Er muss es geahnt haben, denn vier Sekunden später zappelt der Ball im Netz. Wir starren entsetzt in den Fernseher, als könnten wir allein kraft unserer Gedanken das Tor wieder rückgängig machen. »Immer dieselbe Scheiße.« Barnie ist richtig ärgerlich. »Nur gut, dass wir nicht in der Scheißarena hocken.« Plötzlich sprudelt es aus ihm heraus. Ein Schimpfwort jagt das nächste. Dann referiert er über Spielsysteme, Teamwork, Taktik. Wenn man ihn so reden hört und Fußball durch Schuhe ersetzen würde, könnte man denken, Luisa

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