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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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Erfüllung.
    «Heißt das, wir lassen es bleiben?», frage ich Paul mit ruhiger Stimme. Ich dachte immer, dass ich diesen Satz unter Tränen aussprechen würde. Doch ich bin ganz ruhig.
    «Schaut wohl so aus», sagt Paul und sieht furchtbar hilflos aus. Er zuckt mit den Schultern.
    Ich spreche die Worte, die für gewöhnlich in «Verbotene Liebe» das Ende einer Beziehung markieren: «Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.»

MITTWOCH, 26.   FEBRUAR 2003 – THE END
    Ich bin tot. Ich weine nicht, ich schreie nicht rum, ich betrinke mich nicht, höre keine Musik, rauche nicht, esse keine Pfefferminztaler und auch sonst keine feste Nahrung. Ich schlafe nicht viel. Ich pflege meinen Körper, die Hülle meines gestorbenen Inneren, ich stehe morgens auf, mache mein Bett und gehe ins Büro oder in die StaBi, um an meiner Magisterarbeit zu schreiben. Ich spreche mit niemandem über Belangvolleres als das Wetter und die Schneeverhältnisse in den bayerischen Alpen. Ich halte seit Sonntagabend innerlich die Luft an, um nicht aus dieser todesähnlichen Starre zu erwachen. So tut es nämlich erstaunlich wenig weh. Ich fühle genau genommen so gut wie gar nichts. Wenn ich diesen Zustand lang genug aufrechterhalte, kann ich vielleicht die Verzweiflungs- und Trauerphase überspringen und erst wieder aufwachen, wenn ich Paul überwunden habe und offen für neue Begegnungen bin. Das wäre praktisch.
     
    20   Uhr 15.   Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen beginnt ein Film. Es geht um zwei Menschen, die sich im Supermarkt treffen und sofort ineinander verlieben. Alles scheint sich gut anzulassen, doch dann sieht die Frau den Mann auf der Straße in inniger Umarmung mit einem anderen Mann. Sie denkt natürlich, er sei schwul. Wie blöd. Hatte er doch nur einem schwulen Kumpel geholfen, dessen Lover eifersüchtig zu machen. Die Verwicklungen verwickeln sich weiter. Gähn.
     
    21   Uhr. Es läutet an meiner Wohnungstür. Wer kann das sein, um diese Zeit? Eigentlich nur Vroni. Vielleicht macht sie sich Sorgen, weil ich ihr seit drei Tagen konsequent aus dem Weg gehe. Da wir uns normalerweise fast täglich sehen oder zumindest hören, ist das gut möglich. Ich öffne die Tür.
    «Hallo, Marie!»
    Es ist Paul. Und er sieht schrecklich aus.

SAMSTAG, 22.   MÄRZ 2003 – ENGLISCHER GARTEN – EPILOG
    Der Himmel ist von sunilblauer Aufdringlichkeit. Aber schön ist er. Keine einzige Wolke, in die ich Tiere, Autos oder Hexengesichter hineininterpretieren könnte. Ich liege auf dem Rücken im Gras des Englischen Gartens. Auf den Tag genau vor einem Jahr spazierte ich unweit von dieser Stelle einen Kiesweg entlang, mit Picknickdecke und frischen Brezn, in weißer Bluse und neuen Jeans, um Paul zu treffen. Bekanntlich wurde nichts aus dem Date.
     
    Wieder bin ich allein. Paul ist nicht da. Ich überlege, ob ich es wagen soll, das T-Shirt auszuziehen. Welchen BH trage ich heute? Ah, einen schlichten schwarzen. Sieht aus wie ein Bikinioberteil. Ich schließe die Augen und spüre, wie die Haut an meinem Bauch und Dekolleté die erste Sonne des Jahres aufsaugt.
    AAAAAAAH! Kalt! Ich schnelle in die Sitzposition und öffne die Augen. Und sehe Paul, der frech grinsend das Steckerl-Eis in der Hand hält, mit dem er gerade unverschämterweise meinen nackten Bauch berührt hat.
    «Aufwachen, schöne Frau!», sagt er und küsst mich.
    «Sag mal, willst du nicht dein T-Shirt wieder anziehen?», fragt er dann.
    «Wieso, gefällt dir mein neuer Bikini nicht?»
    «O doch», sagt Paul und lässt seine Blicke ausgiebig über meinen Oberkörper wandern, «das ist ja gerade das Problem. Ich bin auch nur ein Mann. Und soweit ich weiß, ist es verboten, öffentliche Ärgernisse zu erregen   …»
    «Paul! Also echt. Zieh dich lieber auch ein bisschen aus. Dein Luxusleib könnte ein wenig Sonne gut vertragen. Der Winter war lang!»
    Ich rutsche näher zu ihm und fange an, sein Hemd aufzuknöpfen.Das dauert ein bisschen, weil wir uns zwischendurch immer wieder küssen müssen.
     
    Ich bin glücklich. Der Mann meiner Träume liegt neben mir im Gras. Wenn ich Angst habe, ich könne mir das nur einbilden, muss ich nur meine Hand nach ihm ausstrecken und ihn anfassen. Er fühlt sich warm und fest an und scheint nicht vorzuhaben, mit einem schmatzenden «Plopp» zu verschwinden wie imaginierte Personen, die in Vorabendserien manchmal auftauchen und deren Stimmen stets mit Hall-Effekt unterlegt sind.
    Später werden Paul und ich zum Seehaus hinübergehen,

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