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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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mein Auto von null auf hundert. Mein Daumen zitterte über der «Lesen»-Taste, während ich das, was folgen sollte, schon im Geiste vor mir sah. Ein kleines Pfeilchen für die ungelesene Message und dahinter ein Name. PAUL. Und dann wurde mir schlecht. Was, wenn da stünde: «Tut mir Leid, Marie, ich bin noch nicht bereit für eine Beziehung. Du solltest mich vergessen. Sei mir nicht böse, es hat nichts mit dir zu tun.» Ein halbes Jahr Hoffen und Bangen, Flirten und Mailen, SMSen und Warten wäre umsonst gewesen. Aber die Nachricht könnte ja auch lauten: «Süße, es war wunderschön, und ich vermisse dich schon. Wann sehen wir uns endlich wieder?»
    Ich holte tief Luft, befahl meinem Gehirn, ein Signal an den Daumenmuskel zu schicken, und drückte die Taste. Das Display flackerte kurz und grün auf. Ich fiel auf mein zerwühltes Bett zurück, als habe einer der Klitschko-Brüder die Schlagkraft seiner gestreckten Rechten an meinem Magen getestet. Die SMS kam von Veronika. Von meiner besten Freundin Vroni. Ob wir heute Abend zusammen auf die Piste gehen wollten. Kann die nicht anrufen???
     
    Es ist 14   Uhr, und ich sollte seit einer halben Stunde in der Sprechstunde meiner Professorin sitzen, um die Fortschritte (was ist das??) meiner Magisterarbeit in Neuerer Deutscher Literatur mir ihr zu besprechen. Stattdessen hänge ich hier immer noch im rot karierten Schlafanzug und Filzpantoffeln herum, meine Frisur (was ist das??) sieht aus, als hätte ich mich der wieder auferstandenen 80er-Jahre-Punkwelle angeschlossen, und ich kann Pauls letzte sieben SMS auswendig. So geht das nicht weiter, Marie, sage ich laut zu mir. Das Notfallprogramm muss in Kraft treten. Das sieht aus wie folgt:
     
    1.   Ich dusche, creme mich mit Shiseido-Lotion für circa zehn Euro pro Bein ein, föhne meine Haare und lege ein dezentes Tages-Make-up auf.
    2.   Ich schalte mein Handy aus. Autsch. Das tut weh.
    3.   Ich rufe Martin an und verabrede mich mit ihm für später im Café Reitschule. Soweit ich weiß, hat er immer noch keine Freundin, weil ihm keine schön, klug, witzig und blond – kurz, Marie genug ist. Jaaaa, Frauen können grausam sein.
    4.   Ich rufe Vroni, Beate, Alexa und Marlene an und verplane mein gesamtes Wochenende. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich an einem einzigen Sonntag entspannt frühstücken, schwimmen, die Avantgarde-Ausstellung im Haus der Kunst besichtigen, lunchen, inline-skaten und abends in den Biergarten gehen soll, aber darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.
    5.Ich erleichtere den Supermarkt um die Ecke um circa ein Kilo Pfefferminztaler und drei Schachteln rote Gauloises.
    6.   Ich fläze mich auf mein Sofa und ziehe mir die letzte Doppelfolge von «Sex and the City» rein, die ich mir am Dienstag aufgenommen habe.
     
    Scheint zunächst keine gute Idee zu sein. Carrie verbringt Wahnsinnsnächte mit Mr.   Big. Hmpf. Blase frustriert Rauch aus. Doch, ha, schon kommt sie, die Krise. Drei Nächte nebeneinander und ohne Sex, o mein Gott. Würde mir und Paul nicht passieren. Ach, Paul   … Stopp! Und schließlich das Ende. Carrie fordert eine eindeutige Liebes- und Absichtserklärung von Mr.   Big. Ja, ist die noch zu retten?? Das war’s dann wohl   … «Ich heulte eine Woche lang», sagt Carrie am Schluss in die Kamera.
    Ich fang gleich schon mal an, Schwester. Aber vorher treffe ich Martin und lasse mir mein schwer angeschlagenes Selbstwertgefühl aufpolieren.

SONNTAG, 11.   AUGUST 2002 – EISZEIT
    Ich habe nicht viel Zeit. Gerade komme ich vom Frühstück im Ruffini mit Marlene und bin so gut wie auf dem Weg ins Schwimmbad mit Beate. Heute mit Sauna, denn draußen regnet es bei circa 12   Grad   … Aber auch bei den Männern ist ganz offensichtlich die Gefühlseiszeit ausgebrochen! Liegt das daran, dass die Fußball-WM vorbei ist und der gesamte 2002er Gefühlsvorrat der Testosterongesteuerten vom Bangen, Hoffen, Jubeln und Leiden mit unseren Bundes-Kickern aufgebraucht ist? Ich weiß es nicht. Was ich weiß: Das Treffen mit Martin am Freitag war ein Reinfall, egotechnisch. Wie kann man nur so kalt sein! Ich durchleide wegen Paul eine schlimme emotionale Phase, und was macht Martin, der bisher immer vergeblich fürmich schwärmte und mich besser erquickte als ein 10 0-Euro -Besuch bei der Kosmetikerin inklusive Augenbrauenzupfen? Er spricht von einer anderen. Was heißt da spricht – er schwärmt. Mit verklärtem Blick, weicher Stimme und dümmlichem Grinsen. Ich habe

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