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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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Karpathos, vom Duft nach Pinien und Rosmarin, von der Weichheit des Meerwassers auf meiner Haut, wenn ich morgens bei Sonnenaufgang an den einsamen Strand unserer Bucht hinunterwanderte und im goldenen Wasser schwimmen ging. Ich wollte von Delphinen und samtmäuligen Eseln berichten, von den traurig klingenden griechischen Balladen, die den ganzen Tag aus dem Lautsprecher der Strandtaverne tönten, vom Sand zwischen meinen Zehen und davon, wie toll es ist, sich eine Woche lang nicht schminken zu müssen und die Haare an der warmen Luft trocknen zu lassen   … Doch ich erspare dem geneigten Leser diese Ansammlung von platten (wenn auch wahrheitsgetreuen) Klischees, denn inzwischen ist etwas viel Spannenderes passiert.
    Gestern, ich war gerade mit meinem freitäglichen Bürojob beschäftigt, kommt vormittags eine E-Mail von Paul.
    «Bist du im Büro?»
    «Ja», maile ich zurück und wundere mich ein bisschen, was die Frage soll.
    «Ich denke gerade an dich. An dich in meinem Bett», lese ich zwei Minuten später. Schluck. Ich habe mit einem harmlosen Wie-geht’s-denn-so-und-wie-war-Griechenland gerechnet, aber nicht mit so etwas   …
    «Da wäre ich jetzt gerne. Mhmmmm   …», schreibe ich zurück, klicke auf «Senden» und würde mich im gleichen Moment am liebsten in den Finger beißen. Das war zu ehrlich, zu direkt, Marie, hadere ich mit mir, du machst es ihm zu leicht!
    «Was würdest du dann tun? Und was soll ich mit dir machen?» Wumm. Die Blutverteilung in meinem Körper gleicht einem IKE A-Parkplatz , Samstag, 15   Uhr. Alles vollkommen durcheinander, hyperaktiv und voller Staus. Paul, ich könnte Romane darüber schreiben, was ich mit dir machen würde und was du mit mir anstellen sollst. Die würden dann allerdings sofort auf dem Index jugendgefährdender Schriften landen. Oooooh, ich muss mir schnell etwas einfallen lassen, denke ich, und leichte Panik mischt sich in das Chaos in meinem Hirn und Körper, Mensch, mir fällt doch sonst immer was ein   …
    In diesem Moment betritt mein Chef das Büro und setzt sich mir gegenüber an den Schreibtisch, um irgendeine Kooperation zu besprechen. «M-hm», höre ich Business-Marie sagen, «klar, das machen wir» und «Ich schreibe gleich mal ein Exposé», während eine andere Marie, die ich eigentlich gar nicht kenne, in ihren Computer tippt:
    «Ich würde dich ausziehen. Und mich dann von dir ausziehen lassen. Und du würdest sagen, dass du mich schön findest in der schwarzen Unterwäsche, die ich heute trage. Und dann   … Jetzt du.» Plimm, gesendet. Chef verlässt zufrieden das Büro, hocherfreut ob der unkomplizierten Delegierung einer unangenehmenAufgabe. Ich fühle mich zum Bersten sexy. Auf den «Senden & Empfangen»-Button prasselt ein Mausklick-Stakkato ein, bis das erlösende Didldidim ertönt. GAAAAAH. Nein, ich will jetzt nicht den aktuellen «Fit For Fun Newsletter» lesen!!! Nach endlosen zwei Minuten schließlich die nächste Mail von Paul.
    «Ja, ich würde dich schön finden. Unwiderstehlich schön. Ich stelle mir vor, wie du jetzt meinen Schwanz in die Hand nimmst und dich dann zu mir hinunterbeugst   …» Mein Magen zieht sich zusammen, und das Blut hat sich nun auf eine Marschrichtung geeinigt: Alle Mann zur Körpermitte! Mein Hirn ist leer, nur einen einzigen Gedanken kann ich noch formulieren: Paul, ich will dich so sehr. Ich rutsche auf meinem Bürostuhl herum und tippe meine Antwort.
     
    Zwei Stunden später bin ich mit roten Wangen, zerzausten Haaren und glänzenden Augen wieder im Büro und um drei Erkenntnisse reicher.
    Erstens: E-Mailen kann wahnsinnig erotisch sein.
    Zweitens: Mein Chef kann ganz schön blöd schauen, wenn seine Mitarbeiterin fluchtartig und mit einem genuschelten «Mussmalwegarbeiteheuteabendlänger» das Büro verlässt. Drittens: Die Sache mit dem Jäger und dem scheuen Reh hat nur bedingt Gültigkeit – sorry, Oma. Manchmal wollen Männer eben keine sanftäugigen Bambis, sondern Frauen, die einfach tun, worauf sie Lust haben.

DIENSTAG, 24.   SEPTEMBER 2002 – ALBTRAUM IN LACHSROSA
    Es ist KALT. So kalt, dass sogar Marie – «Ich bin nicht wie alle anderen Frauen, die ständig frieren» – heute Morgen ihren Wintermantel ausgräbt. «Kind, kauf dir doch mal eine schöneÜbergangsjacke für den Herbst», höre ich meine Mutter im Geiste sagen, als ich diverse Schuhkartons entleere, um den Kellerschlüssel zu finden. Allein bei dem Wort «Übergangsjacke» läuft es mir noch kälter den Rücken

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