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Wer ist hier der Schlaumeier?: Skurrile Geschichten von Hunden und ihren Menschen (German Edition)

Wer ist hier der Schlaumeier?: Skurrile Geschichten von Hunden und ihren Menschen (German Edition)

Titel: Wer ist hier der Schlaumeier?: Skurrile Geschichten von Hunden und ihren Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Riepe
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ihren Hund zubewegte. Denn um ihr Problem zu erkennen – da bin ich ganz ehrlich –, musste man kein Hundepsychologe oder Hundetrainer sein. Wie bereits erwähnt, hatte ich, als ich der Frau gegenübersaß, auch ein komisches Gefühl. Es ist für Lebewesen wichtig, ihre Ansprechpartner einschätzen zu können, und ein wichtiger Faktor dabei sind nun einmal die Augen. Werde ich offensiv angestarrt, ist der andere möglicherweise sehr selbstbewusst; wendet er seinen Blick ab, beschwichtigt er und ist vielleicht unsicher. Augen sind ganz wichtige Kommunikationsmerkmale, das ist absolut artübergreifend bei Säugetieren. Sir Lanzelot konnte sein Frauchen durch die Brille auch nicht mehr einschätzen und teilte ihr bei jeder Annäherung mit, dass er unter diesen Bedingungen keine Kontaktaufnahme wünschte. Er benutzte dabei die Sprache, die ein Hund spricht: Er knurrte. Lanzelot war also psychisch vollkommen in Ordnung. Selten habe ich solch einen einfachen Fall erlebt, bei dem es glasklar auf der Hand lag, dass der Mensch der Problemverursacher war.
    Als ich der jungen Frau zu vermitteln versuchte, dass einzig und allein ihre Sonnenbrille der Grund für das Knurren ihrer Bulldogge sei, schaute sie mich entsetzt an und sagte allen Ernstes: „Ja, aber ich habe ihm doch erklärt, dass ich tagsüber diese Brille tragen muss – schließlich finanziere ich ihm mit dem Verkauf doch sein Futter!“ Sie war tatsächlich der Ansicht, ihr Hund könne den Sinn ihrer Sätze verstehen. Ich möchte an dieser Stelle niemanden enttäuschen, aber Hunde sind nun mal nicht in der Lage, abstrakte Sätze zu durchschauen. Sie können einzelne Worte „heraushören“ („Lass uns mal GASSI gehen!“) oder Wortketten als eine Aussage mit immer gleicher Bedeutung verknüpfen („Holst du mal den Ball?“). Doch Äußerungen mit wechselndem Inhalt begreifen Hunde nicht. Brauchen sie auch nicht, sie kommunizieren auf andere Art und Weise, und das nicht schlecht. Während der „sprechende Mensch“ in seiner jetzigen Form vielleicht 100000 Jahre auf der Erde lebt, gibt es Hunde bzw. ihre Vorfahren, die Wölfe, seit ca. 5 Millionen Jahren auf diesem Planeten. Da müssen wir Menschen erst einmal hinkommen …
    Nach einigen Erläuterungen konnte ich die Dame dazu bewegen, die Brille abzusetzen – und wie ich es vermutet hatte: Der Anblick war ohne Brille wesentlich erfreulicher. Augenscheinlich auch für Sir Lanzelot. Als ich sie bat, sich ihrem Hund zu nähern, knurrte dieser nämlich nicht mehr. Erst nachdem sie die Brille wieder aufgesetzt hatte, begann er erneut, sein Unbehagen auszudrücken. Das Problem, was eigentlich keins war, wurde sehr schnell gelöst. Heute trägt die Dame zwar weiterhin die Sonnenbrille in ihrem Geschäft, so wie es ihr Vertrag vorsieht, aber wenn sie ihren Hund streicheln oder anleinen will, legt sie die Brille ab und die Welt ist in Ordnung. Sir Lanzelot braucht sich nicht mehr vor der Maske des Grauens zu fürchten und seine Besitzerin versteht jetzt endlich, dass ein Hund, der knurrt, nicht böse ist, sondern nur spricht. Lanzelots Knurren, was durch einen Menschen verursacht wurde, konnten wir schnell abstellen. Sein Schnarchen, ebenfalls durch Menschen verursacht, können wir nicht so einfach beseitigen. Sonnenbrillen lassen sich absetzen, Atemwegsprobleme hat der Hund sein Leben lang.

Ruhepol im Chaos

    Golden Retriever Karli sollte ein Problemhund sein. Sein Frauchen rief mich an und bat um meine Hilfe, weil er immer jagen würde, obwohl sie, Frau A., und ihr Mann, alles versucht hätten, ihn davon abzubringen. Gut, ein normaler Fall, dachte ich und erschien zum verabredeten Termin bei der Familie. Karli lebte mit Vater und Mutter A. und deren drei Töchtern (3, 5, und 7 Jahre alt) in einem recht neuen Einfamilienhaus am Rande einer Stadt. Als ich am Tor des eingezäunten Grundstücks schellte, kam sofort ein bellender Yorkshire Terrier auf mich zugerannt. Merkwürdig, dachte ich bei mir, anscheinend muss ich die Hundebesitzer zunächst in Rassekunde schulen ...
    Direkt hinter dem kleinen Terrier kam Frau A. angaloppiert, die schon auf ihrem Weg zum Tor ein Gespräch mit mir beginnen wollte. Aufgrund der zunächst noch größeren Entfernung tat sie dies in einem relativ lauten Ton, der sich ähnlich anhörte wie das Bellen des Yorkis. Es war also bereits ein recht hektischer Empfang, bis Frau A. mir schließlich öffnete. Ich gab ihr die Hand und betrat den Hof. Der Yorkshire Terrier, eine Hündin mit Namen

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