Wer ist hier der Schlaumeier?: Skurrile Geschichten von Hunden und ihren Menschen (German Edition)
Namen mit der Adresse und trat ein. Doch ich ging sofort wieder rückwärts hinaus, um mich noch einmal zu versichern, dass ich tatsächlich im richtigen Geschäft war. Accessoires für die Frau sollten hier verkauft werden und auch die Anschrift war korrekt. Also wagte ich den zweiten Versuch, trat erneut ein und betrachtete ein weiteres Mal die Dame, die mich hinter der Ladentheke in Empfang nehmen wollte. Und wieder kamen mir Zweifel, ob ich am vereinbarten Ort war. Ich schaute nämlich nicht in das Gesicht einer jungen Frau, sondern in eine riesige Fläche aus dunklem Glas mit einer noch riesigeren Umrandung aus Kunststoff. Ich dachte, ich sei in einem Kostümverleih für Alienkostüme oder in einem Versuchslabor, in dem Gasmasken für die Feuerwehr getestet wurden.
„Kommen Sie doch herein, ich habe Sie schon erwartet“, hörte ich plötzlich eine freundliche Stimme, die aus dieser dunklen Maske zu kommen schien. Und als sich meine Wahrnehmung nach dem optischen Schock wieder erholt hatte, konnte ich noch etwas anderes feststellen: Mir war, als würden hinter der Theke Handwerker arbeiten, die das Mobiliar zersägten …
Um Sie nicht weiter auf die Folter zu spannen: Ich war durchaus im richtigen Geschäft angelangt. Die Besitzerin trug eine riesige Sonnenbrille, die fast ihr gesamtes, recht zart anmutendes Gesicht verdeckte – was durchaus bedauerlich war, denn das wäre sicherlich ein schönerer Anblick gewesen als diese Glasfront. Die Sägegeräusche hinter der Theke stammten von Sir Lanzelot, der dermaßen schnarchte, dass sich die Balken in dem mit Fachwerk ausgestatteten Laden bogen.
Wir begannen unser Gespräch, indem wir das Problem der Kundin, die meine Hilfe suchte, zunächst erörtern wollten. Ich erfuhr viel über die junge Dame, ihre Vorlieben und Besonderheiten sowie über ihren Hund. Auch Sir Lanzelot war ein Opfer der Wesensmerkmale seiner Besitzerin. Die spontane Frau hatte sich nämlich, ohne nachzudenken, eine Englische Bulldogge zugelegt, nachdem ihr ein solcher Hund in einem Fernsehbeitrag so gut gefallen hatte ...
Bulldoggen sind nach meiner Meinung charakterlich sehr gut als Begleithunde geeignet; sie sind sicher etwas stur, ansonsten ist das Potenzial an Verhaltensproblemen oder das, was der Mensch dafür hält, doch als eher gering anzusehen. Trotzdem empfehle ich diese Rasse nie. Heute zwar auf sanften Charakter gezüchtet, sind diese Hunde für mich persönlich ganz arme Geschöpfe. Das fängt schon bei ihrer Geburt an, die meist durch eine Operation erfolgt. Bei Bulldoggen sind nämlich die Köpfe so groß, dass diese den Geburtskanal der Mutter nicht passieren können. So werden die Welpen durch einen medizinischen Eingriff geboren, während die Mutter in Narkose liegt, was sich laut der Meinungen einiger Experten negativ auf die Bindung zwischen Muttertier und Welpe auswirkt. Zudem haben Bulldoggen eine sehr empfindliche Gesundheit – Haut- und Atemwegsprobleme, Herzkrankheiten und Anomalien an den Augenlidern sind keine Seltenheit. Und das alles nur, um menschlichen Modeansprüchen gerecht zu werden.
Doch zurück zu Sir Lanzelot, der hinter der Theke lag und – eine Folge der Atemwegsprobleme – schnarchte. Seine Besitzerin schilderte mir die Probleme, die sie mit ihrem Hund hatte. Sie erzählte mir, dass Lanzelot, wie sie ihn nannte, eigentlich der liebste, friedlichste und tollste Hund der Welt wäre (Hundehalter idealisieren ihre Hunde gern), sich aber seit einigen Wochen verändert hätte. „Immer wenn ich mich ihm nähere, knurrt er mich an. Egal ob ich ihn streicheln will oder ihm am Abend die Leine anlegen möchte, er knurrt“, sagte die Frau, die mir mit ihrer riesigen Sonnenbrille vor mir saß, sodass es mir unmöglich war, ihre Augen zu erkennen. Irgendwie machte mir dieses Gegenüber ein wenig Angst. Durch die Brille konnte ich keinerlei Mimik oder Augenbewegung der Frau wahrnehmen, was in mir bereits eine Vermutung bezüglich des Verhaltens von Sir Lanzelot aufkeimen ließ. Im Laufe des weiteren Gesprächs erfuhr ich, dass die junge Frau seit einigen Wochen einen Exklusivvertrag für den Vertrieb eines bestimmten Produktes hatte. Sie werden erahnen können, um welchen Artikel es sich hier handelte. Seit sie diesen Vertrag hatte, stand sie jeden Tag mit eben einem solch hässlichen Glasmonster von Toilettendeckelgröße in ihrem Geschäft.
Sicher werden sich viele Leser jetzt fragen, warum die Frau nicht einfach die Sonnenbrille ablegte, wenn sie sich auf
Weitere Kostenlose Bücher