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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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seines Rotzes in die ständig rinnende Nase, das Gejammere über die Schmerzen und das Gesudere über die Weggabe, als wäre er der Einzige, der weggegeben worden war, und die langweiligen Geschichten, die nur Tragödien mit bitterem Ende waren. Darum stieg der Norbert auch, nachdem der polnische Suderant unter ihm endlich eingeschlafen war, von seinem Bett hinunter und brunzte ihm auf seine Tuchent. Gleich nachdem sie der Erzieher am nächsten Morgen geweckt hatte, indem er die bleichen Leuchtstofflampen eingeschaltet und mit einer Trillerpfeife in das Zimmer hineingepfiffen hatte, sprang der Norbert von seinem Bett, deutete auf den unter sich und schrie: Das Schwein hat sich angebrunzt! Das machte der Norbert vier Tage hintereinander. Am fünften Tag, nach dem Mittagessen, kam der Guritsch mit zwei Erziehern in das Zimmer. Sie öffneten den Spind, räumten die Sachen raus und packten sie in eine alte rot-weiß gestreifte Sporttasche, während er unter dem Norbert in seinem Bett lag, einen Polster auf sein Gesicht gepresst, heulte und unverständliche Worte stammelte. Dann, nachdem er dem Norbert die Hand geschüttelt hatte, fuhren sie ihn weg. »Die Gemeinheit ist die einzige Möglichkeit um zu überleben. Je hinterfotziger die Gemeinheiten sind, die du dir ausdenkst, umso weiter kommst du im Leben, Kreisky, wirklich wahr.« Trotz der gemeinen Lebensbedingungen im Arnautovič Kinderheim der Stadt Wien hat die Mutter mit ihrem Spruch UND WENN DU GLAUBST ES GEHT NICHT MEHR, KOMMT VON IRGENDWO EIN LICHTLEIN HER , ausnahmsweise einmal recht gehabt.
    Obwohl Direktor, ließ es sich der Guritsch nicht nehmen, die Kinder in der Früh selbst, und wenn notwendig, eigenhändig , aufzuwecken. »Das Aufwecken hat dem Guritsch neben der Überwachung der Essensausgabe am meisten getaugt. Ist es die größte Leidenschaft vom Guritsch gewesen. Auf, auf, ihr müden Hasen, hört ihr nicht die Jäger blasen, und, heraus aus der Hapfen, hinein in die Schlapfen, hat er jeden Morgen pünktlich um sechs Uhr geschrien und die Türen der Schlafräume aufgerissen. Mit einer Trillerpfeife hat er zusätzlich in die Schlafräume hineingepfiffen um uns ja sicher aufzuwecken. Als ob es möglich gewesen wäre, bei so einem Krawall weiterzuschlafen, Kreisky, wirklich wahr.« GOTT GIBT UNS DIE NÜSSE, ABER ER KNACKT SIE NICHT AUF , hat die Mutter immer gesagt, was sie vom Pfarrer Probodnig übernommen hatte, der diesen Spruch auch zum Norbert oft gesagt hat, im Religionsunterricht seinerzeit. Musste der Guritsch ein zweites Mal in ein Zimmer kommen, weil sein Weckruf nicht gereicht hatte und einer trotzdem liegen geblieben war, aus Renitenz, wie der Guritsch dann gesagt hat, wurde derjenige samt Matratze aus dem Stockbett hinausgeschmissen. Mit einer Krücke stocherte der Guritsch in dem am Boden Liegenden herum, klopfte ihm mit dem abgewetzten Gumminoppen der Krücke auf den Kopf. Flott, flott, die Essensausgabe beginnt gleich, munterte er ihn dabei auf und verließ den Schlafraum in Richtung Speisesaal, mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen, was meistens Froh zu sein bedarf es wenig, denn wer froh ist, ist ein König war. Pünktlich um sieben Uhr mussten alle im Speisesaal auf ihren nummerierten Tischen und somit auf ihren zugewiesenen Plätzen nicht schwätzend sitzen. Vorne, neben der Essensausgabe, hatte sich der Guritsch positioniert. In seinen Händen hielt er bereits besagtes Megafon und brüllte seine Anweisungen zur korrekten Essensabholung hinein. Tischnummer für Tischnummer und Sitzplatz für Sitzplatz mussten die Kinder ihr Essen, im Uhrzeigersinn und im Kreis gehend, von der Essensausgabe entgegennehmen. Zweiundvierzig!, schrie er zum Beispiel, zweiundvierzig Tee!, oder einundfünfzig Wurstplatte!, oder achtunddreißig Topfengolatschen! Ging einer nicht wie von ihm angewiesen im Uhrzeigersinn und somit um die gesamten Tische herum, sondern direkt den geraden und logischerweise kürzeren Weg, weil er in der ersten Reihe direkt vor der Essensausgabe gesessen war, schrie der Guritsch: Ein U-Boot, Hilfe, ein U-Boot!, und sortierte den Verbrecher sofort aus, indem er ihn mit seiner Krücke von der Essensausgabe wegstieß und aus dem Speisesaal mit ständigem Hineingestochere in dessen Oberkörper hinausbeförderte und ihn den Rest des Tages vom Essen ausschloss. Die Rosemarie lernte der Norbert nur deshalb kennen, weil er durch die mathematische Konsequenz des Guritschen Essensausgaberituals jeden Tag zur gleichen Minute und an der

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