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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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hat die Mutter gesagt, zufrieden, weil ihr die Umgestaltung so gut gelungen ist. Sie aus dem Kind eine kleine Erwachsene gemacht hat, vom Ausschauen her jetzt. An den Besuchstagen musste die Rosemarie erwachsen ausschauen, das war die Meinung der Mutter. Auch weil die Schwester der Rosemarie noch zu klein war, als dass man sie als Erwachsene hätte herrichten können. Bist du schon ausgehfertig, und hast du dich schon ausgehfertig gemacht, waren die meistgehörten Sätze der Rosemarie an den Besuchstagen. An diesen Tagen weckte die Mutter die Rosemarie und die Kleine besonders zeitig auf. Einerseits, weil die Verwandlung der Rosemarie vom Kind zur kleinen Erwachsenen ihre Zeit brauchte und sie sich dagegen sträubte natürlich, andererseits, weil bei der Kleinen alles immer besonders lange dauerte. Saß die Rosemarie schon fertig hergerichtet am Küchentisch, in einem roten Kleid mit weißen Punkten zum Beispiel, die Haare zu zwei Schwänzen gebunden, die ihr seitlich vom Kopf steif wegstanden, weil sie die Mutter so fest zusammengezurrt hatte, hatte die Kleine noch nicht einmal von ihrem Marmeladebrot abgebissen oder den Kakao angerührt. Die Wartezeit verkürzte sich die Rosemarie durch das Ablecken ihres Zeigefingers, den sie vorher in das Glas Preiselbeermarmelade hineingesteckt hatte. Wenn es um Preiselbeermarmelade ging, gab es kein Halten mehr bei der Rosemarie. Aus dem Bad hörte sie das Klappern von Stöckelschuhen und das Zischen der Haarspraydose, mit deren klebrigem Inhalt sich die Mutter ihre Haare gerade zu einem Turm auftoupierte. In dem auf dem Küchentisch stehenden Aschenbecher verrauchte derweil ihre Zigarette, von der sie ab und zu, vom Bad in die Küche pendelnd, einen Lungenzug nahm. Mit spitzen Lippen, zusammengezwickten Augen und gespreizten Fingern nahm sie die Zigarette in die Hand und zog daran, den Rauch danach seitlich nach hinten wegblasend, mit einem Gesicht, als würde sie in eine Zitrone beißen. Als könnte sie damit ihre Kinder vor den mutmaßlichen negativen Einflüssen des Tabakrauchs bewahren. Steckte nach dem Lungenzug die Zigarette, die jetzt einen roten Filter hatte, in den Aschenbecher zurück und stöckelte wieder ins Bad und so weiter, und so fort. Der Grund für das Pendeln zwischen Bad und Küche war der explosionsgefährdete Inhalt der Haarspraydose. Die Mutter hatte Angst davor, sich durch eine von der Zigarette ausgelösten Explosion der Haarspraydose nicht nur die Frisur, sondern auch das Gesicht zu zerstören. Nicht nur die Rosemarie, auch die Mutter schaute an den Besuchstagen völlig anders aus als an den gewöhnlichen Tagen. Trug sie sonst weite braune Hosen und flache Halbschuhe, band ihre Haare hinten zu einem Pferdeschwanz zusammen, war sie nach dem Ausgehfertigmachen ein quasi neuer Mensch. Mit Stöckelschuhen, kurzem Rock, einer Bluse mit tiefem Ausschnitt, Make-up und der aufgesprühten Turmfrisur, schaute sie nicht mehr wie eine Hausfrau und Köchin aus. An jedem ihrer Finger steckte ein Ring und am Ringfinger der rechten Hand der Ehering, den sie auch nur an den Besuchstagen trug. Als sie aus dem Badezimmer herauskam und sah, dass die Rosemarie mit der Preiselbeermarmelade ihr Gesicht und das Gesicht der kleinen Schwester vollgeschmiert hatte, fuhr ein Schrei aus ihr heraus, der die Kinder so zusammenzucken ließ, dass die ganze Preiselbeermarmelade auf dem Kleid der Rosemarie landete. In ihrer Hektik schlug die Mutter der Rosemarie mit ihrer beringten Hand mehrere Male ins Gesicht, weil sie sowieso schon spät dran waren. Wegen der Zahnregulierung der Rosemarie machten die Schläge ein schepperndes Geräusch in ihrem Mund. Die Rosemarie trafen die Schläge der Mutter aber nicht so, wie man es sich wünscht, wenn man seine Kinder schlägt. Weil der Mutter aufgrund des Drucks, unter dem sie ihrer Meinung nach immer stand, regelmäßig die Hand ausgekommen ist, wie sie es bezeichnet hat, machten die Schläge der Rosemarie nicht mehr so viel aus. Die kleine Schwester konnte die Schläge überhaupt nicht vertragen. Brauchte sie für das Frühstück sowieso schon lange, ging nach so einem Zwischenfall überhaupt nichts mehr bei ihr. War sie quasi eingefroren. Hielt ihr erst einmal angebissenes Marmeladebrot in der Hand und saß mit offenem Mund da. Ihr Blick aus den kleinen mandelförmigen Augen, die zu nah nebeneinander standen, wanderte von der Rosemarie über die Mutter zum Preiselbeermarmeladeglas und von dort zum angebissenen Brot, wo er hängen blieb,

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