Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
was „Wissen schafft“, also die Methode, mit der man Wissen gewinnt. Die wichtigste Tugend der Wissenschaft ist Kritik. Was mit wissenschaftlicher Methodik, das heißt durch Überprüfung und Kritik von anderen Wissenschaftlern, erarbeitet wurde, kann auch den Anspruch erheben, Wissenschaft zu sein. Diese Methode ist zwar – wie die Demokratie – nicht perfekt, aber es gibt nichts Besseres, um unseriöse Forschung oder manchmal sogar Betrug auszuschließen. In der Wissenschaft werden alle Entdeckungen und Erkenntnisse ununterbrochen von allen beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fortlaufend überprüft, kritisiert, modifiziert und verbessert. Daher können sämtliche Ergebnisse und Erkenntnisse in der Wissenschaft auch nur vorläufig sein.
Aber Obacht! Das heißt nicht zwangsläufig, dass die Physik ungenau ist. Im Gegenteil. Eigentlich ist sie sehr genau. Aber warum gibt es dann immer wieder neue Erkenntnisse? Kann man nicht einmal genau hinschauen und dann ist Schluss?
Wenn wir etwas messen, erhalten wir ein Messergebnis. Dieses Messergebnis ist aber nie perfekt. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Das Messgerät ist nicht fehlerlos und in den seltensten Fällen geeicht, das Eichnormal wurde wiederum mit Fehlern auf das Messgerät übertragen, das heißt, es gibt einen Einfluss des Messgeräts auf die Messung, Instabilitäten der Messgröße während der Messung, Einflüsse auf das Experiment, Digitalisierungsfehler oder Ablesefehler und so weiter und so fort. Da brauchen Sie sich gar nicht zu bemühen und absichtlich einen Fehler machen, schon ist alles falsch. Aber auch alles richtig, weil es immer darauf ankommt, wer wann womit misst. Eine Messung vor 100 Jahren war zu ihrer Zeit genauso richtig, wie es eine Messung heute ist, aber die Umstände der Messung haben sich geändert.
Wir können mithin sagen, dass eine Messung uns alles liefert, nur kein genaues Ergebnis. Eigentlich eine Frechheit für eine exakte Naturwissenschaft. Aber: in der Physik können wir sagen, wie ungenau das Ergebnis ist. Das heißt, wir wissen, warum wir einen Fünfer für die Schularbeit bekommen, nämlich weil wir nichts gelernt haben?
Nein. Damit können wir einen Bereich angeben, in dem das Messergebnis liegt, und diesen Bereich kann man sehr exakt angeben. So kann man sagen, dass das Messergebnis zu 66 Prozent in einem speziellen Bereich liegt. Die hohe Kunst ist es nun, diesen Bereich immer mehr zu verkleinern – das tun Experimentalphysiker. Sie sind die Spezialisten für Messfehler. Eigentlich sollte man besser von Messungenauigkeiten oder Messabweichungen sprechen, denn Physikerinnen und Physiker machen ja beim Experiment keine bewussten Fehler.
Mit der Entwicklung neuer Verfahren nimmt die Messungenauigkeit immer mehr ab. Damit können aber Theorien ein Problem haben. Ein schönes Beispiel ist die Periheldrehung des Merkurs. Der Merkur kreist auf einer Ellipse um die Sonne. Allerdings dreht sich auch diese Ellipse. Das heißt, auch der sonnennächste Punkt der Ellipse (das Perihel) kreist zusätzlich um die Sonne. Die Newton’sche Gravitationstheorie konnte diese Messung nicht erklären. Erst die Relativitätstheorie von Einstein stimmte mit dieser Messung überein.
So gibt es auch immer einen Wettstreit zwischen der Theorie und dem Experiment. Die Experimentalphysiker testen und überprüfen Vermutungen und liefern Ergebnisse, mit denen die Theoretiker am Anfang nichts anfangen können, worauf die Theoretiker nach einiger Zeit eine Theorie liefern. Diese Theorie muss nun bestätigt werden. Das geht aber nicht. Nach Popper kann eine Theorie nur falsifiziert werden, aber nicht verifiziert. Das heißt, eine Theorie kann man mit einem Experiment nicht bestätigen. Es zeigt nur, dass die Theorie innerhalb der Fehlergrenzen den richtigen Wert liefert. Findet man aber ein einziges Experiment, das ein anderes Ergebnis liefert, als die Theorie vorhersagt, ist die Theorie gestorben. Sprich: die Theoretiker sind sauer und müssen sich was Neues einfallen lassen.
Zur Relativitätstheorie etwa gibt es bis heute kein Experiment, das der Theorie widerspricht. Mit einer kleinen Ausnahme: die Pioneer-Anomalie. Die besagt, dass die beiden Raumsonden Pioneer I und II sich eine Spur zu langsam aus dem Sonnensystem hinausbewegen. Mit anderen Worten: sie trödeln. Möglicherweise gibt es einen noch unbekannten physikalischen Effekt. Schauen wir mal, was den Theoretikern dazu einfällt. Wahrscheinlich was
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