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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Luedemann
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konkurrierende Mitchristen zum Schweigen zu bringen. Ein Beispiel ist das unechte Jesuswort Lk 16,17: »Es ist leichter,
     dass der Himmel und die Erde vergehen, als dass ein einziges Häkchen vom Gesetz wegfällt.« Das Wort entstammt einer Gemeindesituation,
     in der ein Kampf zwischen liberalen und konservativen Christen entbrannt war. Die liberalen Christen sind wahrscheinlich Mitglieder
     von Gemeinden, denen auch der Apostel Paulus zuzuordnen ist. Er wurde von konservativen Christen des Abfalls vom Gesetz beschuldigt.
     Sie verbreiteten über ihn das Gerücht, er lehre alle Juden in der Diaspora, ihre Söhne nicht mehr zu beschneiden (vgl. Apg
     21,21). Diese Christen gehörten der Gemeinde aus Jerusalem an, die unter der Führung des Jakobus, eines Bruders Jesu, zunehmend
     eine restaurative Haltung zum Gesetz einnahm. In diesen konservativen Kreisen dürfte Jesus das oben zitierte Wort Lk 16,17
     zugeschrieben worden sein, das die Unvergänglichkeit des Gesetzes behauptet. Um die eigene Position im Kampf gegen andere
     Christen zu verteidigen, legte man Jesus diesen Spruch einfach in den Mund.
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Zweitens
wurden Jesusworte aber auch im Kampf gegen ungläubige Juden erfunden. So schrieb der erste Evangelist Jesus folgende Sätze
     zu, Mt 23,34–38:
     
    34 Siehe, ich sende zu euch Propheten und Weise und Schriftgelehrte; und einige von ihnen werdet ihr töten und kreuzigen, und
     einige von ihnen werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie verfolgen von Stadt zu Stadt, 35 damit über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf der Erde … 36 Amen, ich sage euch: Dies alles wird über diese Generation kommen.
    37 Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest und die steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder
     versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter die Flügel; und ihr habt nicht gewollt! 38 Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden.
     
    Die christlichen Propheten, Weisen und Schriftgelehrten in Vers 34 zielen auf die Gegenwart des Matthäus. Sie werden das Schicksal
     der Tötung, Kreuzigung und Geißelung erleiden, und zwar durch die von Jesus zuvor der Heuchelei bezichtigten ungläubigen Pharisäer
     und Schriftgelehrten. Ihnen droht »Jesus« und kündet ein Gericht über ganz Israel an. Die Klage über Jerusalem setzt die Strafe
     der Verwüstung Jerusalems im Jüdischen Krieg voraus, der erst 40 Jahre nach Jesu Tod stattfand. Denn die Verwüstung der Stadt
     wird hier nicht in Aussicht gestellt, sondern gilt als bereits geschehen: Die Stadt soll wüst (= in Trümmern) liegen bleiben.
    Drittens
wurden Jesusworte fingiert, um die besondere Würde des Gottessohnes auszudrücken. So entstammen zwei Worte, die Jesus am Kreuz
     gesprochen haben soll, der erbaulichen Lektüre der alttestamentlichen Psalmen. Der bekannte Verzweiflungsruf »Mein Gott, mein
     Gott, warum hast du mich verlassen?« in Mk 15,34 ist ein Zitat aus Ps 22,2. Und die versöhnliche Anrede »Vater, in deine Hände
     lege ich meinen Geist« in Lk 23,46 entspricht Ps 31,6.
    Hiermit noch nicht genug: Die Auffassung der neutestamentlichen Verfasser, Jesus selbst habe sein Leiden und seine Auferstehung
     vorhergesagt, ist durch historische Rekonstruktion ein für allemal widerlegt. Es handelt sich bei den diesbezüglichen Voraussagen |116| ebenfalls um nachträgliche Rückdatierungen aus der Sicht des Glaubens. Und um das Maß voll zu machen: Die Auferstehung Jesu
     fand so, wie sie in den neutestamentlichen Evangelien beschrieben bzw. vorausgesetzt wird, mit Sicherheit nicht statt. Denn
     die Texte vom leeren Grab stammen erst aus dem zweiten Stadium des Auferstehungsglaubens, als es darum ging, die Auferstehung
     Jesu von den Toten dingfest zu machen und den nachfragenden Juden auch aus den eigenen Reihen ein leeres Grab vorzuführen.
     Aber auch hierfür fanden die Christen wiederum einen Beleg aus den alttestamentlichen Psalmen. In Psalm 16 soll David alias
     Jesus prophezeit haben, Gott werde den Gottessohn nicht der Verwesung anheim fallen lassen. Also steigerte der Evangelist
     Lukas die Bedeutsamkeit Jesu dadurch, dass er diesen Psalm in Geschichte übersetzte und Jesus unverweslich werden ließ. Das
     Grab musste leer gewesen sein.
    Weitere Fakten kommen hinzu und stören das scheinbar harmonische Verhältnis von Glauben und Wissen empfindlich: Auch andere
     Weissagungen aus dem Alten Testament, die traditionell auf Jesus bezogen werden, haben mit

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