Wer Wind sät
Augenbrauen. »Ãffnen Sie bitte Ihren Koffer.«
Pia klemmte das Handy zwischen Wange und Schulter, fummelte an den Verschlüssen des Koffers und brach sich beim Ãffnen einen Fingernagel ab. Das relaxte Urlaubsfeeling löste sich in nichts auf. Der Stress hatte sie wieder.
»Ja, okay, ich fahre hin. Gib mir die Adresse.«
Sie klappte den Koffer auf. Die Zollbeamtin durchwühlte bedächtig Pias nachlässig gepackten Koffer, in der Hoffnung, zwischen der schmutzigen Wäsche womöglich eine illegal eingeführte Ming-Vase, eine geschmuggelte Flasche Schnaps oder mehrere Stangen Zigaretten zu entdecken. Hinter ihr stauten sich andere Reisende. Wütend funkelte Pia die Frau an, die sie nach ergebnisloser Suche mit einem blasierten Kopfnicken entlieÃ. Pia knallte den Kofferdeckel zu, warf den Koffer auf den Gepäckwagen und marschierte zum Ausgang. Die Milchglastüren glitten zur Seite. Hinter der Absperrung wartete Christoph mit einem leicht angestrengten Lächeln im Gesicht, neben ihm stand, deutlich missvergnügt, Pias Exmann Dr. Henning Kirchhoff. Auch das noch! Eigentlich hatte Miriam, die sich während Pias Abwesenheit auf dem Birkenhof um die Tiere gekümmert hatte, sie vom Flughafen abholen wollen; vor ihrem Abflug hatten sie deswegen noch miteinander telefoniert.
»Mein Koffer war der letzte auf dem Band«, entschuldigte Pia sich. »Und dann musste die Tante vom Zoll noch alles durchwühlen. Tut mir leid. Was machst du denn hier?«
Der letzte Satz war an ihren Exmann gerichtet. Gegen Christoph mit seiner zentralchinesischen Sonnenbräune wirkte Henning blass und hager.
»Ich freue mich auch, dich wiederzusehen«, erwiderte er sarkastisch und schnitt eine Grimasse. »Mein Auto steht seit über einer Stunde im Halteverbot. Wenn ich einen Strafzettel kriege, kannst du ihn bezahlen.«
»Entschuldige.« Pia küsste Henning flüchtig auf die Wange. »Danke, dass du uns abholst. Was ist mit Miriam?«
Die Beziehung zwischen ihrem Exmann und ihrer besten Freundin war kompliziert geworden, seitdem Henning unter Generalverdacht stand, Vater des noch ungeborenen Kindes seiner früheren Geliebten zu sein. Nach einer mehrmonatigen absoluten Funkstille, in der Henning ernsthaft erwogen hatte, sich feige ins Ausland abzusetzen, hatten sich die beiden wieder angenähert, aber von einem harmonischen Vertrauensverhältnis konnte nicht die Rede sein.
»Miriam hat um neun einen Termin in Mainz, sie konnte nicht warten, bis euer Flugzeug endlich landet«, erklärte Henning mit einem vorwurfsvollen Unterton, als sie sich auf den Weg nach drauÃen machten. »Ich hätte es ja nicht weit vom Institut hierher, meinte sie. Ach, wie war eigentlich euer Urlaub?«
»Schön«, erwiderte Pia und wechselte einen raschen Blick mit Christoph. âºSchönâ¹ war die Untertreibung des Jahrhunderts. Die drei Wochen China waren ihr erster richtiger Urlaub und einfach perfekt gewesen. Obwohl sie jetzt schon eine ganze Weile zusammen waren, verursachte Christophs Anblick noch immer dieses wohlig-aufregende Kribbeln in ihrem Bauch, und sie konnte es manchmal gar nicht fassen, dass sie so viel Glück gehabt hatte, einen Mann wie ihn zu finden. Sie waren sich im Sommer vor drei Jahren im Zuge von Ermittlungen in einem Mordfall begegnet, als Pia sich beinahe schon damit abgefunden hatte, für den Rest ihres Lebens allein mit ihren Tieren auf dem Birkenhof zu versauern. Es hatte auf Anhieb zwischen ihnen gefunkt. Damals hatte Bodenstein ihn für dringend tatverdächtig gehalten, was die Sache nicht gerade einfach gemacht hatte.
Die kühle Luft des frühen Maimorgens lieà Pia frösteln. Nach vierzehn Stunden Flug fühlte sie sich klebrig und schmutzig und sehnte sich nach einer Dusche, doch die musste jetzt wohl noch eine Weile warten.
Hennings Auto war strafzettelfrei geblieben, was möglicherweise daran lag, dass er das Schild »Arzt im Einsatz« deutlich sichtbar hinter der Windschutzscheibe platziert hatte. Er und Christoph verstauten die beiden Koffer in den Kofferraum, während Pia rasch auf die Rückbank des Mercedes schlüpfte.
»Was hast du jetzt vor?«, erkundigte sie sich, als Henning Minuten später auf die Autobahn Richtung Kelsterbach fuhr. Sie kamen wegen des Berufsverkehrs Richtung Frankfurt nur langsam voran.
»Wieso?«, fragte er sofort misstrauisch zurück. Pia verdrehte die
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