Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
denn Ricky hatte immer weniger Zeit für den Laden. Die Aushilfen, die das Arbeitsamt geschickt hatte, waren nicht viel wert gewesen. Die eine hatte geklaut, die nächste war zu doof gewesen, um die Bestellungen zu kommissionieren, und die dritte hatte nach drei Tagen angeblich Rückenschmerzen von der schweren Arbeit. Nika hingegen war tüchtig und beschwerte sich nie, sie hatte ein System in die chaotische Buchhaltung gebracht und putzte abends sogar noch den Laden, seitdem die Putzfrau gekündigt hatte. Frauke wusste nicht viel über sie: nur, dass sie eine alte Freundin von Ricky war und bei ihr und Jannis in Schneidhain zur Untermiete wohnte. Als sie Nika zum ersten Mal gesehen hatte, war sie nicht sonderlich beeindruckt gewesen: dünn und schweigsam mit aschblonden, strähnigen Haaren, Brille und einer ungesunden Blässe, dazu Kleider, die andere Leute in die Rotkreuzcontainer steckten. Gegen Ricky wirkte sie so unscheinbar wie ein Rebhuhn im Vergleich zu einem Pfau, aber vielleicht waren sie und Ricky genau deshalb einmal dicke Freundinnen gewesen. Ricky schätzte Konkurrenz nicht besonders, und Nika war ganz sicher keine, so wenig wie Frauke. Zu gerne hätte sie mehr über Nika erfahren, sie war so still und wirkte oft traurig, aber zu Fraukes Bedauern sprach sie so gut wie nie über sich. Gelegentlich konnte sie ihre Neugier nicht bezähmen und stellte beiläufige Fragen, aber Nika lächelte dann nur und behauptete, ihr Leben sei so unspektakulär gewesen, dass es sich kaum lohne, darüber zu sprechen.
    Â»So, ich leg dann mal los.« Nika stellte ihre Tasse in die Spüle. »Ricky will gegen halb zehn hier sein, um die Bestellungen auszuliefern. Rufst du Mark an?«
    Â»Klar, mach ich.« Frauke nickte und lächelte zufrieden. Ihr Leben hatte sich wirklich nur zum Positiven verändert. Hoffentlich würde es so bleiben. Am besten für immer.
    *
    Henning hatte die Leiche gründlich untersucht und erste Erkenntnisse gewonnen. Er zog den Mundschutz herunter und wandte sich an Pia und Cem Altunay.
    Â»Ich schätze, der Tod ist zwischen drei und sechs Uhr am Samstagmorgen eingetreten«, sagte er. »Die Totenstarre hat sich bereits wieder gelöst, die Totenflecken sind kaum noch wegzudrücken.«
    Â»Danke.« Pia nickte ihrem Exmann zu, der mit gerunzelter Stirn die Leiche betrachtete.
    Â»Was ist?«, fragte sie.
    Â»Hm. Es kann sein, dass ich mich täusche, aber irgendwie glaube ich nicht an den Treppensturz als Todesursache. Sein Genick ist nicht gebrochen.«
    Â»Du denkst, es könnte jemand nachgeholfen haben?«
    Â»Möglich wär’s.« Henning nickte. Pia überlegte kurz, ob sie Bodenstein anrufen sollte, entschied sich aber dagegen. Er hatte ihr die Leitung der Ermittlung übertragen, also oblag es ihr, die Situation zu beurteilen. Hennings vager Verdacht, dass ein Tötungsdelikt vorliegen könnte, reichte aus, um die Maschinerie in Gang zu setzen.
    Â»Wir rufen die Spurensicherung und noch ein paar Kollegen, die den Tatort sichern«, sagte sie zu Cem Altunay. »Das Gebäude bleibt so lange abgesperrt, bis wir wissen, was hier vorgefallen ist. Und ich will eine Obduktion.«
    Â»Okay, ich kümmere mich darum.« Cem nickte und zog sein Handy aus der Hosentasche. Sie gingen die Treppen hinunter. An der noch immer abgesperrten Eingangstür wurden Stimmen laut. Einer der Beamten, die verhindern sollten, dass die Mitarbeiter der WindPro durch die Halle trampelten und mögliche Spuren vernichteten, verließ seinen Posten und kam auf Pia zu.
    Â»Was ist da los?«, erkundigte sie sich.
    Â»Der Chef ist gekommen und will rein«, antwortete der Polizist.
    Â»Bringen Sie ihn her. Aber die anderen müssen draußen bleiben.«
    Der Polizist nickte und ging zurück.
    Â»Können wir jetzt mal etwas frische Luft reinlassen?«, wandte Pia sich an Henning. Sie war schweißgebadet und der Fäulnisgeruch einfach unerträglich.
    Â»Nein«, erwiderte Henning knapp. »Nicht bevor die Spurensicherung da ist. Ich lass mir doch von Kröger keine Vorwürfe machen.«
    Â»Die macht er dir sowieso«, sagte Pia. »Weil du die Leiche vor ihm angefasst hast.«
    Cem Altunay hatte in rascher Folge drei Telefonate geführt und steckte sein Handy wieder ein.
    Â»Die Spurensicherung ist unterwegs, wir kriegen noch Verstärkung, und Kai kümmert sich um den Staatsanwalt«,

Weitere Kostenlose Bücher