Werke
beginnen sollte. Der einzige Empfehlungsbrief, den er mit bekommen hatte, nämlich der an den alten Feldobristen, war ihm unnütz; denn der Feldobrist war schon längstens gestorben, und so war er also mit sich allein. Das erste, was er vornehmen wollte, bestand darin, daß er sich irgendwo ein Stübchen miete, in dem er lebe, und die Dinge ansähe, wie sie hier sind, damit er erfahre, was er dann weiter zu erringen habe.
Mit dem Pferde, welches er mitgebracht hatte, war er gleich anfangs in eine große Verlegenheit gekommen. Es war zur Zeit, als er von Hause ging, nicht mehr Sitte, zu Pferde zu reisen, sondern der Reitpferde bediente man sich nur im Heere zum Dienste, und außer demselben, vorzüglich in der Stadt, bloß zu dem einen oder dem andern Spazierritte. Er war daher häufig angeschaut worden, wenn er so auf seinem Rappen die Straße dahin zog, und als er in die Hauptstadt gekommen war, waren alle Reitpferde schöner, waren alle ganz anders gesattelt und gezäumt als das seine, und überall, wo er um ein Zimmer für sich fragte, war kein Stall, in welchen er seinen Rappen hatte tun können. Er gab daher denselben, der noch immer in dem Gasthofe, in welchem er abgestiegen war, weil er ihm von den Fuhrleuten seiner Gegend, die alle dort einkehren, empfohlen wurde, gestanden war, einem Fuhrmanne mit, der in das Tal seines Vaters zurück kehrte, und trug ihm auf, daß er den Rappen hinten an seinen Wagen anhängen, sehr gut auf ihn schauen und ihn von dem Wirtshause des letzten Dorfes aus nach dem Hause der Gebirgshalde senden möge, wo der Vater ist. Der Fuhrmann versprach alles, und Hugo nahm Abschied von dem Tiere.
In der ersten Woche seines Aufenthaltes in der großen Stadt hatte er eine Stube gefunden, wie er sie wünschte. Sie war zum Studieren abgelegen, und ihre zwei Fenster sahen doch auf ein paar grüne Bäume, wie er sie liebte, obgleich jenseits derselben sogleich wieder Mauern anfingen, die ihm zuwider waren. In diese Stube brachte er seine Sachen und richtete sich ein. Hier wollte er nun eine Tätigkeit anfangen, von der er wußte, daß sie seinem Vater eine große Freude machen könnte. Die Sache war so: als sie, nämlich er und sein Vater, zu lernen angefangen hatten und Hugo bereits schon bedeutende Fortschritte machte, brach die französische Revolution aus. Es bereiteten sich gemach die erschütternden Begebenheiten vor, die dann auf ein Vierteljahrhundert hinaus den Frieden der Welt zerstören sollten. Der alte Veit lebte gleichsam wieder jugendlich auf und ließ sich alle nur denkbaren Zeitungen auf das alte Gebirgshaus bringen. Der Knabe mußte sie ihm vorlesen, sie lebten Jahr nach Jahr diese Bewegungen durch, und als sie auf jene Zeit kamen, in welcher der fremde Eroberer unser Vaterland in Fesseln schlug und Hugo bereits zu einem Jünglinge aufzublühen begann – da entstand in beiden derselbe Gedanke, daß nämlich eines Tages die gesamte deutsche Jugend aufstehen werde, wie ein Mann, um die deutsche Erde gänzlich zu befreien.
»Dieses Geschlecht«, sagte der alte Veit, »hat den Krieg noch nicht gesehen, es weiß also jetzt, da er da ist, nichts mit ihm anzufangen. Wenn ich nur nicht so alt wäre. Sie merken die große Schande nicht, daß sie immer geschlagen werden, und der Feind, der auch lange keinen Krieg gehabt hat, ist ebenfalls so töricht, diese Schande immer zu mehren und mit Worten größer zu machen, weil er sie für einen Triumph hält. Aber es kann nicht lange so dauern; wenn das Kraut fort wachsen wird, dann wird er sich über die Blume wundern, die ganz oben stehen wird. Sie muß Ingrimm heißen, diese Blume, und alle alten Sünden müssen getilgt werden, wenn es mit rechten Dingen zugehen soll. Wenn auch die Sünder selber nicht mehr leben, um auszubessern, so wird es die nachwachsende Jugend tun. – Wie wir damals mit dem alten und schon schwachen Eugenius an den Rhein rückten, unser sechzig, unser siebenzig Tausend, lauter blutjunge Bursche! – hätten sie uns damals Von Seite des Heiligen Römischen Reiches nicht so im Stiche gelassen – der alte Eugenius hat ohnehin mit uns Wunder gewirkt. Ich glaube, wenn solche sechzig oder siebenzig Tausend im Felde stünden, sie würden den Feind über die Grenze zurück werfen. Macht er es in seinem Übermute nur immer so fort, so werden schon mehrere aufstehen, man wird nicht wissen, woher sie gekommen sind, es werden ihrer mehr als sechzig und siebenzig Tausend sein, diese werden Taten tun – es wird eine Zeit
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