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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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er gesessen war, denn nach glaublichen Aussagen war er wahnsinnig gewesen.
    Auf einmal erwachte er wieder und wollte jetzt nach Afrika reisen, um Melek ein Messer in das Herz zu stoßen; aber er konnte nicht mehr; denn seine Diener mußten ihn am Morgen aus dem Hause bringen, und mittags und abends wieder hinein.
    Dreißig Jahre nach dem Tode Dithas lebte Abdias noch. Wie lange nachher, weiß man nicht. In hohem Alter hatte er die schwarze Farbe verloren, und war wieder gebleicht worden, wie er in seiner Jugend gewesen war. Viele Menschen haben ihn auf der Bank seines Hauses sitzen gesehen.
    Eines Tages saß er nicht mehr dort, die Sonne schien auf den leeren Platz und auf seinen frischen Grabhügel, aus dem bereits Spitzen von Gräsern hervor sahen.
    Wie alt er geworden war, wußte man nicht. Manche sagten, es seien weit über hundert Jahre gewesen.
    Das öde Tal ist seit der Zeit ein fruchtbares, das weiße Haus steht noch, ja es ist nach der Zeit noch verschönert und vergrößert worden, und das Ganze ist das Eigentum der Söhne des Handelsfreundes des Abdias. So endete das Leben und die Laufbahn des Juden Abdias.

Das alte Siegel

1. Die Berghalde
    Veit Hugo Evaristus Almot war der einzige Sohn eines uralten, noch aus den Zeiten Laudons und Eugens stammenden Kriegers, der ebenfalls den Namen Veit Hugo führte, und welcher Krieger, nachdem er glücklich den Schwertern und Spießen der Türken entgangen war, zu letzt noch in bedeutend vorgerückten Jahren in die Gefangenschaft eines schönen Mädchens geriet, welcher er nicht entging; daher er das Mädchen zur Frau nahm, die selbe auf seinen Landsitz ins Hochgebirge führte und mit ihr sein Söhnlein Veit Hugo erzielte. Er lebte darnach noch eine Reihe von Jahren in die Zeit hinein, so daß ihm sogar sein liebes Weiblein, obgleich es viel jünger war als er, in die Ewigkeit vorausging, so wie ihm bereits alle Kameraden und Freunde vorausgegangen waren.
    Ungleich vielen Kriegern seiner Zeit hatte er sich so viele wissenschaftliche und Staatsbildung eigen gemacht, als damals möglich war, und da er seinen Sohn selber unter richtete und erzog, weil er meinte, daß es niemand so gut zu tun vermöchte als er, so trug er alles, was er wußte, auf diesen über. Freilich wäre bei dem indessen vorgerückten Stande der Wissenschaften mancher andere gewesen, der den Unterricht weit besser hätte führen können als er; allein neben dem Unterrichte gab er seinem Sohne unversehens auch ein anderes Kleinod mit, welches ein Fremder nicht hatte geben können, nämlich sein eigenes einfältiges, metallstarkes, goldreines Männerherz, welches Hugo unsäglich liebte und unbemerkt in sich sog, so daß er schon als Knabe etwas Eisenfestes und Altkluges an sich hatte, wie ein Obrist des vorigen Jahrhunderts, aber auch noch als Mann von zwanzig Jahren etwas so einsam Unschuldiges, wie es heut zu Tage selbst tief auf dem Lande kaum vierzehnjährige Knaben besitzen. Das Herz und seine Leidenschaften waren bei dem Vater schon entschlummert, daher blieben sie bei dem Sohne ungeweckt und ungebraucht in der Brust liegen, und er hatte von dem Vater sonst nichts geerbt als den Tag für Tag gleichen Frohsinn und die Freude an der Welt. Von der Mutter hatte er die ungewöhnliche Schönheit des Körpers und Antlitzes bekommen, die sie einst in ihrem Leben ausgezeichnet hatte, und diese Schönheit entwickelte sich an ihm, da er empor wuchs, so daß die Blicke aller Menschen mit Wohlgefallen an dem Knaben hafteten, und daß er als Jüngling, obgleich er selbst noch nichts anderes liebte als den Vater und die ganze Welt, doch an manchen Stellen, wohin der Himmel seines Auges leuchtete, bereits die heißeste Liebe entzündet hatte, davon er selber nie etwas wußte.
    Als er auf diese Weise einundzwanzig Jahre alt geworden war, gab ihm der Vater ein Päckchen mit Goldstücken, einen Empfehlungsbrief, mehrere gute Lehren, und sagte, daß er mit allem diesem jetzt in die Hauptstadt gehen müsse.
    »Veit,« sagte er, »du hast nun von mir genug gelernt, ich weiß nichts mehr weiter. Du mußt nun in die Welt gehen und auch das Deine tun. Gib diesen Brief da dem alten Feldobristen, auf den er lautet, er wird dir, wenn er noch lebt, an die Hand gehen; schau auf das Geld, wir haben nicht viel, aber was ein ehrlicher Mann braucht, werde ich dir immer senden; sieh zu, daß du noch etwas lernest, das dir gut tut, denn jetzt braucht man viel mehr als ehedem, weil die Welt aufgeklärter geworden ist; dann, wenn du

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